Das Wissen über die Lernpsychologie im Zusammenhang mit Pferden ist in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus gerückt. Doch es ist noch weit davon entfernt, zum Allgemeinwissen der meisten Pferdebesitzer zu gehöhren. Hier kannst du Tierverhaltensberaterin Bettina Hvidemose Riisbergs Erklärung dazu lesen, wie Pferde lernen und warum das Wissen darüber, Probleme verhindern und lösen kann, die zu reduziertem Wohlbefinden des Pferdes führen können.
Bettina Hvidemose Riisberg leitet das Zentrum für Tiertherapie, wo sie unter anderem Unterricht in Verhalten und physischer Therapie für Pferde und Hunde gibt. Das Wissen über das Verhalten und das Lernen von Tieren bildet die Grundlage für einen Großteil von Bettinas Arbeit, die unter anderem Physiotherapie, Rehabilitation und Osteopathie für Pferde und Hunde umfasst.
Das Wissen über die Lernpsychologie fördert das Verständnis dafür, warum das Pferd in vielen Fällen tut, was es tut. Gleichzeitig trägt das Wissen in diesem Bereich dazu bei, dass wir unser Verhalten und unsere Reaktionen so anpassen können, dass es für das Pferd einfacher wird, uns zu verstehen.
Im Grunde lernt das Pferd durch zwei Mechanismen, die als klassische und operante Konditionierung bezeichnet werden.
Dieser Mechanismus beinhaltet, dass Pferde verschiedene äußere Einflüsse miteinander assoziieren. Wenn zwei verschiedene Einflüsse gleichzeitig auftreten, verbindet das Pferd sie miteinander. Sie nehmen die gleiche Bedeutung im Gehirn des Pferdes ein und führen somit auch zur gleichen Verhaltensreaktion.
Wenn das Pferd mit einem Sattel geritten wird, der nicht passt und daher Schmerzen verursacht, haben wir eine Situation, in der zwei Einflüsse gleichzeitig auftreten. Der eine Einfluss ist der Sattel selbst und der andere Einfluss ist der Schmerz.
Wenn diese Kombination oft genug auftritt, werden die meisten Pferde beginnen, Anzeichen von Unbehagen bereits beim Anblick des Sattels aus der Ferne oder beim Satteln zu zeigen. Dies ist ein ganz einfaches Produkt der klassischen Konditionierung.
Schmerzen führen von Natur aus dazu, dass man Unbehagen auf die eine oder andere Weise ausdrückt. Wenn der Sattel direkt mit Schmerzen auftritt, wird der Sattel selbst Anzeichen von Unbehagen hervorrufen. Diese Anzeichen können Stress, Ausweichen oder sogar aggressives Verhalten beinhalten.
Das Pferd bildet ständig solche Assoziationen zwischen verschiedenen Einflüssen. Wenn du einen Ausritt machst und plötzlich ein lautes Krachen zu hören ist, während du an einem Straßenschild vorbeikommst, wird das Pferd wahrscheinlich das Straßenschild mit dem Krachen verbinden. Und dann wird es das nächste Mal, wenn du an einem Straßenschild vorbeireitest, mit Angst reagieren.
Diese Reaktionen treten als automatische und unfreiwillige Reaktionen in Zusammenhang mit bestimmte Einflüsse auf und sind somit das, was wir Reflexe nennen. Reflexe können angeboren oder erlernt sein. Die oben genannten Beispiele veranschaulichen ein paar Möglichkeiten für erlernte Reflexe.
Das Gute an diesen Reflexen ist, dass sie wieder entlernt werden können - allerdings braucht das Zeit und Geduld. Grundlegend braucht das Pferd viele Erfahrungen, bei denen in der jeweiligen Situation nichts Unangenehmes passiert.
Es wird oft negativ auf den Sattel oder das Gebiss reagieren, selbst wenn es mit neuem, passenden Equipment ausgestattet wird oder der Schmerz im Körper geheilt wurde. Viele Wiederholungen sind erforderlich, bis das Gehirn erkennt, dass die erlernte Verknüpfung nicht mehr mit Unbehagen verbunden werden muss.
Der Prozess kann beschleunigt und verbessert werden, indem man etwas Gutes hinzufügt - zum Beispiel ein Leckerli - jedes Mal, wenn das Pferd den Sattel sieht. Dies hilft, diesen mit einem angenehmen Gefühl zu verbinden und kann so dazu beitragen, die Assoziation schneller und effektiver zu ändern. Das Gleiche gilt für das Straßenschild oder alle anderen Beispiele für unerwünschte Situationen.
Die operante Konditionierung ist ein Werkzeug, das helfen kann, herausfordernde Situationen im Alltag zu analysieren und zu beheben. Gleichzeitig kann es das Lernen von Übungen im Training fördern. Operantes Verhalten ist nicht Reflexverhalten, wie wir es unter "klassischer Konditionierung" behandelt haben, sondern Verhalten, das auf der bewussten Ebene stattfindet.
Der Hintergrund der operanten Konditionierung ist, dass das Lernen auf dem eigenen Verhalten des Pferdes basiert. Das Lernen hängt also davon ab, was das Pferd tut oder nicht tut - und was danach passiert. Jedes Mal, wenn das Pferd (oder wir selbst) ein Verhalten zeigt, folgt eine Konsequenz. Diese Konsequenz hat Bedeutung dafür, ob wir - oder das Pferd - Lust haben, das gleiche Verhalten ein anderes Mal zu wiederholen. Diese Regeln gelten für alle Arten, sowohl Pferde als auch Menschen und Hunde.
Einige Beispiele sind:
• Wenn du einen Anruf entgegen nimmst (das Verhalten) und die Person am anderen Ende nett ist und es ein positives Gespräch ist (die Konsequenz), hast du mehr Lust, das gleiche Verhalten beim nächsten Mal zu zeigen (den Anruf entgegennehmen, wenn es klingelt). Wenn die Person, mit der du sprichst, jedoch nicht freundlich ist (Konsequenz), hast du weniger Lust, das Telefon beim nächsten Mal abzunehmen. Wenn wir den Anruf entgegennehmen und niemand am anderen Ende ist (Konsequenz), haben wir auch weniger Lust, ihn beim nächsten Mal wieder entgegenzunehmen.
• Ein weiteres Beispiel ist, wenn wir ein neues Gericht probieren (Verhalten) und es gut schmeckt (Konsequenz), haben wir Lust, wieder etwas Neues zu probieren. Wenn es nicht gut schmeckt (Konsequenz), haben wir weniger Lust, beim nächsten Mal etwas zu probieren.
• Wenn das Pferd durch ein Tor geht (Verhalten) und gleich danach ein lauter Knall zu hören ist (Konsequenz), ist es sehr wahrscheinlich, dass das Pferd beim nächsten Mal nicht durch das gleiche Tor gehen mag oder (für uns grundlos) auf einmal losrennt, weil es das Szenario mit Angst und Schrecken verbindet.
• Wenn wir beim Reiten eine Parade geben, das Pferd anhält (Verhalten) und wir durch Nachgeben die Situation so für das Pferd wieder angenehm machen (Konsequenz), erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass das Pferd beim nächsten Mal auf den Zügel reagiert, wenn wir eine Parade geben.
• Wenn das Pferd gegen die Boxentür tritt oder mit dem Huf scharrt (Verhalten) und gleich danach Futter kommt (Konsequenz), erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass das Pferd wieder gegen die Boxentür tritt oder wieder bettelnd scharrt, um Futter zu bekommen.
Dies funktioniert mit positiver und negativer Verstärkung, wobei das Lernen mit Hilfe von positiven Reizen effektiver ist.
So sehen wir also, dass alle Verhaltensweisen Konsequenzen haben. Und dass diese Konsequenzen entweder die Häufigkeit und/oder Intensität des Verhaltens erhöhen oder verringern.
Wenn wir unsere Pferde trainieren, erhöhen wir in Wirklichkeit nur die Häufigkeit und/oder Intensität des gewünschten Verhaltens. Und verringern die Häufigkeit und/oder Intensität des unerwünschten Verhaltens. Wir lassen den Druck im Zügel nach, wenn das Pferd durch pariert, genau um die Konsequenz zu steuern. Wir lassen den Druck als Konsequenz des Haltens nach, um das Pferd dazu zu bringen, das gleiche Verhalten beim nächsten Mal, wenn es einen Zügeldruck spürt, zu zeigen.
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Um das Verhalten der Pferde zu formen und eine angemessene Kommunikation zu gewährleisten, können wir uns auf der Grundlage dieser Theorie immer analysieren, wie wir das Verhalten des Pferdes hin zu dem ändern können, was angemessen ist - sowohl für das Pferd als auch für uns selbst. Unabhängig davon, ob wir über den alltäglichen Umgang, das Arbeiten vom Boden oder das Reiten sprechen.
Als Analysewerkzeug können wir uns die folgenden Fragen stellen:
Es scharrt, wenn es auf dem Stallgang steht.
Dass ich das Bein packe und Stop sage.
Da es immer eine Verbindung zwischen Verhalten und Konsequenz gibt, muss meine Reaktion das Pferd dazu bringen, es wieder zu tun (auch wenn meine Absicht eine andere war). Ich muss also die Konsequenz ändern, zu etwas, das das Pferd nicht dazu motiviert, es zu tun.
Wenn das Pferd scharrt, um Kontakt herzustellen in Form dessen, was ich normalerweise tue, muss ich versuchen, das Gegenteil zu tun - das muss das Ignorieren des Pferdes sein.
Also können wir einfaches Wissen über Verhalten und Konsequenzen verwenden, um eine Lösung für das Problem zu analysieren oder die Trainingsstrategie zu verbessern.
Das wichtigste Ziel des Wissens über die operante Konditionierung besteht darin, ein tiefgehendes Verständnis dafür zu vermitteln, wie es als Analyseinstrument verwendet werden kann. Ein Instrument, das sowohl zur Verhinderung und Lösung schwieriger Probleme als auch zur Optimierung jeder Trainingssituation beitragen kann.
Jeden Tag gibt es eine Vielzahl von Missverständnissen zwischen Pferd und Reiter. Dies betrifft sowohl das Training vom Boden als auch das Reiten. Missverständnisse führen oft zu Stress und vermindertem Wohlbefinden des Pferdes - und weniger Spaß für den Besitzer oder Reiter.
Daher ist ein grundlegendes Verständnis der Lernmechanismen sehr wichtig, wenn wir verstehen wollen, warum unsere Pferde so reagieren, wie sie es tun. Es ermöglicht uns, unser Training so anzupassen, dass es für unsere Zusammenarbeit - und somit das Wohlergehen des Pferdes - so optimal wie möglich ist.
Ein großer Teil des Pferdeverhaltens wird durch Erfahrungen mit klassischer und/oder operanter Konditionierung geprägt. Wir müssen jedoch immer im Hinterkopf behalten, dass das Verhalten auch andere Ursachen hat.
Einige Verhaltensmuster können Produkte der Instinkte und der grundlegenden Natur des Pferdes sein. Viele Stressreaktionen sind das Ergebnis von Unbehagen. Unbehagen kann natürlich das Ergebnis von Trainingsmissverständnissen sein, aber wir sollten auch in Betracht ziehen, ob das Pferd Unbehagenwegen der Ausrüstung empfindet, Schmerzen hat oder beispielsweise in einer gestressten Stallumgebung lebt oder eine Herde hat, die nicht harmoniert.
Ein gut ausgeglichenes Pferd hängt also nicht "nur" von einer guten Zusammenarbeit im Lernprozess und in der Interaktion ab. Es erfordert auch einen Körper, der frei von Schmerzen und Einschränkungen ist, gut angepasste Ausrüstung, ausgewogene Ernährung, korrekte Reiterwirkung und eine geeignete Umgebung.
Die Lernmechanismen und die Interaktion mit Ihnen sind nur eines der Puzzleteile im großen Puzzle, das richtig gelegt werden muss, damit es dem Pferd so gut wie möglich geht.