Es ist essentiell, dass Pferde täglich mindestens zwei Stunden freien Auslauf genießen, idealerweise mehr. Die optimale Methode, dies zu gewährleisten, ist, die Pferde auf die Weide zu lassen. An vielen Orten hat man sich darauf spezialisiert, den Pferden so viel Weidegang wie es geht zu ermöglichen, damit sie Zeit mit anderen Pferden verbringen können.
Wenn Pferde in Offenstallhaltung untergebracht sind, sodass sie selbst wählen können, ob sie drinnen oder draußen sein wollen, ist es natürlich optimal. Diese Art der Haltung bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich, besonders im Winter, in dem das Wetter eine Woche mild und regnerisch und die andere Woche kalt und mit großen Mengen Schnee verbunden ist. Einige Pferde kommen gut mit dem kalten Wetter zurecht, während andere gegen Ende des Winters an Gewicht verloren haben und vielleicht sogar etwas zu dünn geworden sind. Das stellt Anforderungen an das Management der Pferde auf der Winterweide und an die Fütterung.
In diesem Artikel werde ich versuchen, euch Einblicke in drei Hauptfragen zu geben:
Martha Voss ist Pferdeagronomin und betreibt das unabhängige Beratungs- und Schulungsunternehmen NENUC, das Kurse, Beratungsbesuche und die Entwicklung von Lernspielen usw. anbietet. Martha hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in Lehre und Forschung im Bereich der Pferdehaltung und der richtigen Ernährung.
Alle biochemischen Prozesse des Körpers setzen Wärme als Nebenprodukt frei, daher kann man sagen, dass wir alle – auch Pferde – mit unserem eigenen internen Heizsystem herumlaufen. Im Sommer geht es für die Pferde darum, die überschüssige Wärme loszuwerden, z.B. durch Schwitzen. Im Winter geht es umgekehrt darum, die Wärme zu bewahren. Die Pferde tun dies, indem sie ihr Verhalten ändern oder die Körperisolierung erhöhen.
Die Kältetoleranz von Pferden hängt von vielen Faktoren ab, z.B. Alter, Rasse, Körperbau, Fellqualität und Haarbeschaffenheit. Ältere Pferde können kälteempfindlicher sein als jüngere. Kräftige Pferde behalten die Wärme besser als schlanke Pferde, weil die Wärme über die Haut verloren gehen kann. Kräftige Pferde haben im Verhältnis zu ihrem Gewicht eine kleinere Hautfläche, durch die Wärme entweichen kann. Der Wärmeverlust über die Haut kann durch eine isolierende Fettschicht sowie ein dickes Fell verhindert werden, bei dem sich die Haare aufstellen und eine isolierende Matte um das Pferd bilden.
Die Beine haben ihr eigenes Heizsystem, bei dem Arterien und Venen eng beieinander liegen, sodass das warme Blut aus den Arterien in den Beinen das kalte Blut in den Venen erwärmt. Auf diese Weise ist das Blut, das an kalten Tagen zum Körper zurückfließt, mäßig temperiert. Man nennt dies den passiven Kälteschutz.
Du kannst sehen, wie das Pferd auf sensorische Reize reagiert, die anzeigen, dass es kälter wird. Die Reaktionen sind in unbewusste Reaktionen, die von Nerven und Hormonen gesteuert werden, und bewusste Reaktionen, die typischerweise verhaltensbedingt sind, eingeteilt.
Unbewusste Reaktion:
Die Blutgefäße in der Haut ziehen sich zusammen und sparen Wärme. Die Haare richten sich auf und bilden eine dickere Decke. Langsamere Atmung und Herzschlag. Die Muskeln zittern.
Bewusste Reaktion:
Das Pferd sucht Schutz. Läuft oder tobt mehr. Stellt sich dicht zusammen mit dem Hinterteil gegen den Wind.
Sinnesnerven senden eine Nachricht an das Gehirn, dass der Winter kommt.
Unbewusste Reaktion:
Das Pferd verliert sein Sommerfell und bekommt ein Winterfell.
Unbewusste Reaktion:
Fettgewebe, Leber und Muskeln setzen Fettsäuren und Glukose frei, die zu CO2, Wasser, Energie und WÄRME verbrannt werden.
Bewusste Reaktion:
Mehr körperliche Aktivität. Schläft nachts stehend. Schläft mittags in der Sonnenwärme REM-Schlaf. Sucht und frisst mehr Raufutter.
Wärmeverlust kann auch durch direkten Kontakt mit kalten Oberflächen erhöht werden, z.B. kalter, feuchter Boden oder kalter Untergrund in der Box, ebenso verliert feuchte Haut Wärme, da die Feuchtigkeit Wärme zum Trocknen benötigt. Das Pferd kann sich vor dem Wärmeverlust schützen, indem es trockene Bereiche mit einer isolierenden Schicht wie Stroh oder Tannennadeln sucht und Bereiche mit Windschutz, die vor dem kalten Wind schützen.
Die Pferde stellen sich eng zusammen und nutzen so die Körperwärme des anderen. Der Wärmeverlust eines Pferdes kann also das andere wärmen. Sie stellen sich mit Hinterteil und Schweif als Windschutz auf, oder an Wintersonnentagen richten sie die größtmögliche Oberfläche zur Sonne, um so Wärme von der Sonne aufzunehmen. Pferde auf Einzelkoppeln haben nicht dieselbe Möglichkeit, einander zu wärmen. Es ist also ein großer Vorteil für das Pferd, auch im Winter zusammen mit anderen Pferden auf die Koppel zu kommen.
Du kannst viele der verhaltensbedingten Aktivitäten bereits im Herbst beobachten, wenn die Temperatur zu sinken beginnt. Wenn es zu kalt ist, damit diese Maßnahmen wirken, kann der Körper des Pferdes beginnen, Wärme durch Kältezittern zu erzeugen, oder indem sie rennen und spielen, wodurch durch die Muskelaktivität mehr Wärme erzeugt wird. Hier sind die Kältezittern effektiver als körperliche Aktivität.
Ein weiteres wichtiges Verhalten, das darauf abzielt, den Körper des Pferdes vor Wärmeverlust zu schützen, ist die erhöhte Futteraufnahme. Instinktiv sucht das Pferd im Sommer nach den besten Weideplätzen, um eine Fettschicht unter der Haut aufzubauen. Diese Fettschicht wirkt als Isolierung für die Wärme. Mehr dazu später.
Wenn die Tage im September – nach der Tagundnachtgleiche – kürzer werden, werden die Haare zum Wachstum angeregt. Es bildet sich eine dickere isolierende Haarschicht um das Pferd. An kalten Tagen richten sich die Haare auf, wodurch die isolierende Schicht verstärkt wird. Es kostet zusätzliche Energie, das Winterfell zu bilden, und das Futter muss die Aminosäuren enthalten, die die Haarzellen zum Aufbau der Haare benötigen. Wenn das Raufutter ausreichend Protein enthält, wird das Pferd in der Regel mit Aminosäuren versorgt sein, da diese Teil der Proteine im Gras sind. Während der Fellwechselphase solltest du darauf achten, den zusätzlichen Bedarf des Pferdes zu decken. Das gilt nicht nur für Energie und Protein, sondern auch für zusätzliche Vitamine und Mineralien.
Hier kommst du weit mit zusätzlichem Raufutter, sowie Vitaminen und Mineralfutter. Besonders für die Pferderassen, die ein sehr dickes Winterfell bilden, wie z.B. Isländer und Shetlandponys, wird eine Mineral- und Vitaminergänzung dazu beitragen, das Futter für die Fellbildung zu nutzen. Diese genügsamen Rassen sowie einige Kaltblutrassen sind zu dieser Jahreszeit oft in gutem Futterzustand. Es wäre daher nicht klug, die Futtermenge zu erhöhen.
Wenn das Pferd zu fett ist und Insulinresistenz als Folge mehrjähriger Überzufuhr von Zucker entwickelt hat, was zu Übergewicht geführt hat, können die erhöhten Blutzuckerspiegel die Funktion der Haut und damit die Fellbildung stören. Daher solltest du darauf achten, dass das Pferd im Laufe des Winters an Gewicht verliert. Nicht so viel, dass es zu dünn wird und den wärmeisolierenden Effekt des Unterhautfetts verliert. Aber indem du es in einer negativen Energiebilanz hälst, so dass es langsam an Gewicht verliert, kannst du die Insulinempfindlichkeit des Pferdes wiederherstellen und damit ein vernünftiges Stoffwechselgleichgewicht erzielen.
Das Beste, was du tun kannst, ist, die Entwicklung des Körperzustands deines Pferdes vorauszusehen. Das bedeutet, dass du regelmäßig den Körperzustand des Pferdes überprüfst und die Futter- und Grasmenge entsprechend anpasst, damit es das ganze Jahr über angemessen schlank bleibt. Hat das Pferd über den Sommer zugenommen, solltest du darauf hinarbeiten, dass es bis Weihnachten einen passenden Körperzustand erreicht. Wenn das Pferd in einer Box gehalten wird und täglich für den Sport trainiert, sollte es schlank bleiben.
Wenn es in Offenstallhaltung lebt und somit viel draußen ist, sollte es über den Winter mit einer angemessenen Fettschicht belassen sein. Das bedeutet, dass das Pferd eine dünne Fettschicht unter der Haut haben sollte, die sowohl als Isolation als auch als Nährstoffspeicher dient. Das Dilemma mit schlanken Pferden im kalten Winter kann jedoch sein, dass sie bei einer längeren Kälteperiode zu viel Gewicht verlieren. Besonders schlanke Vollblutpferde, die auch eine große Hautfläche im Verhältnis zu ihrer Körpermasse haben, können Schwierigkeiten haben, ihr Körpergewicht und damit ihre Wärme zu halten. Daher kannst du dein Pferd etwas auf der guten Seite halten. Sobald die Temperaturen zu Beginn des Frühlings ein wenig ansteigen, muss die Futterstärke angepasst werden, damit das Pferd abnehmen kann, bevor das Graswachstum einsetzt.
Wenn die eigene Isolierungsfähigkeit des Pferdes aufgrund einer zu dünnen Fettschicht und zu kurzen (geschorenen) Haare beeinträchtigt ist, muss man ihm helfen. Du kannst eine dickere Decke auflegen, um bei der Wärmeerhaltung zu helfen, für Windschutz sorgen und eine dicke Matratze im Ruhebereich/Stall bereitstellen. Außerdem kannst du dem Pferd helfen, mehr Wärme im Körper zu produzieren. Das beste Mittel dafür ist Raufutter. Die Fasern im Raufutter werden von Mikroorganismen im Blinddarm und Dickdarm vergärt, und das geschieht durch mehrere komplizierte biochemische Prozesse. Diese geben Wärme als Abfallprodukt ab, was zur Erwärmung des Pferdes beiträgt. Wenn das Pferd nicht mehr Raufutter fressen kann, kannst du ihm andere faserreiche Futtermittel geben. Denke jedoch daran, dass diese zusätzliche Energiezufuhr an die Bedürfnisse des Pferdes angepasst werden muss. Der Futterplan muss kontinuierlich an die Wetterbedingungen und die Entwicklung des Körperzustands des Pferdes angepasst werden.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist hoffentlich der Winter bald vorbei, und die Schneeglöckchen haben sich im Schutz der Hecke hervorgewagt. Was du jetzt tun kannst, ist, dein Pferd auf einen gesunden Frühling und einen guten Sommer auf der Weide mit anderen Pferden vorzubereiten. Dabei achte darauf, das Pferd in einem passenden Körperzustand zu halten, indem du die Fettschicht des Pferdes kontrollierst und auf Veränderungen reagierst.
Quellen
Cecilie M. Mejdell, Knut Egil Bøe, Grete H.M. Jørgensen. Caring for the horse in a cold climate—Reviewing principles for thermoregulation and horse preferences. Applied Animal Behaviour Science, Volume 231, October 2020. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0168159120301593