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Para-Pferdesportler Glasten Krapels: "Ich möchte ein Vorbild für andere sein" 

Foto: Nikki Geraedts

Niemand sagt, dass Pferdesport einfach ist. Doch stell dir vor, du hast noch nicht einmal Hände und arbeitest dennoch täglich mit Pferden. Das klingt unmöglich, aber genau das macht der niederländische Para-Reiter Glasten Krapels jeden Tag. 

Glasten Krapels ist 33-jähriger Para-Pferdesportler aus den Niederlanden. Im Stall macht er fast alles selbst. „Ich kann meinen Helm nicht schließen oder meine Pferde flechten - den Rest kann ich allein. Ich miste Ställe aus, steige auf, reite, wasche meine Pferde, fahre den LKW - im Grunde alles rund um die Tiere. Ich möchte das auch genauso und das ist es, was mich in die Lage versetzt, zu tun, was ich tun will.“

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Mein Motto lautet:
Keep a positive mind and follow your dreams! 

Von klein auf wurde Glasten von seinen Eltern so erzogen, dass er es erst einmal zweimal selbst versucht, wenn er Schwierigkeiten hat, bevor er um Hilfe bittet - sei es im Privatleben oder im Stall. Dann erst haben seine Eltern geholfen, einen Weg zu finden, die Aufgabe selbst zu lösen. „Ich glaube, ich bin wegen meiner Eltern so positiv. Seit sie mich aus Sri Lanka adoptiert haben, waren sie immer so nett zu mir. Sie haben mir viel Liebe entgegengebracht, völlig egal, dass ich keine Hände hatte. Es war weder für sie noch für mich einfach, aber sie haben mich immer unterstützt.“ 

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Seine Eltern unterstützen ihn, als Glasten im Alter von sieben Jahren zu seinem Vater sagte, er wolle Reiter werden, nachdem er einen Para-Pferdesportler bei der Springveranstaltung Jumping Amsterdam besucht hatte.  

„Der Reiter hatte nur ein Bein und einen Arm. Ich wollte auch können, was er konnte. Mein Vater machte mir Mut, sagte es sei ein großes Ziel, aber wenn ich hart arbeite, könnte es Wirklichkeit werden.“  Niemand wusste, dass Glasten's Zukunft sein würde sich mit den besten Para-Reitern der Welt zu messen. 

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Foto: RNH Fotografie

Wenn du Glasten auf Social Media folgen möchtest, findest du ihn hier:
Instagram, Facebook, TikTok und Youtube

Wie hält man die Zügel ohne Hände?

Aufgrund seiner Behinderung mussten Glasten und seine Familie eine Reitschule finden, die Unterstützung gab. 

„Es war nicht einfach, herauszufinden, wie ich die Zügel mit meiner Behinderung halten und das Pferd allgemein steuern konnte. Ich ging zu einer Reitschule in Amsterdam, die mir half herauszufinden, dass ich die Zügel hinter meinen Ellenbogen halten konnte, was ein hervorragender Tipp war. Auf diese Weise hielt ich die Zügel, ritt und konnte das Pferd wirklich gut kontrollieren.“ Ein paar Jahre waren die Reitstunden zweimal pro Woche ok, aber mit 12 Jahren, wollte er mehr.  „Ich wollte an Turnieren teilnehmen und mich verbessern. Es war mir wirklich wichtig, ein guter Reiter mit viel Leidenschaft und Gefühl zu werden. Wir suchten nach einem anderen Stall und stießen auf einen Freund, der einen kleinen Betrieb in den Niederlanden besaß. Dort konnte ich drei Ponys reiten - und mehr, wenn ich wollte - drei oder vier Mal in der Woche.“ Das war der Beginn von Glasten's Turnierkarriere. Es war mit viel Training und harter Arbeit verbunden, aber Glasten trainierte eisern. 

„Mit etwa fünfzehn, sagten mir meine Eltern, sie fänden, dass ich gut mit den Ponys zurechtkäme. Jetzt wollten sie mir ein Pferd kaufen. Ein echter Kindertraum.“ Die meisten Pferdebesitzer wissen, dass es nicht immer einfach ist, das perfekte Pferd zu finden - und es macht es nicht einfacher, wenn das Pferd von einem Para-Reiter ohne Hände und mit kurzen Armen geritten werden soll.  

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Als ich jünger war, sagte man mir, ich solle meine Behinderungen realistisch sehen. Es war mein Traum, der beste Reiter in den Niederlanden und ein Vorbild für andere zu sein, sowie gefühlvoll mit den Pferden beim Training umzugehen. 

„Das war eine Herausforderung! Ich war ein kleiner Kerl mit kurzen Armen, und die großen Pferde waren alle sehr stark. Wir haben lange gesucht. Plötzlich fand ich ein Pferd, bei dem ich dachte, das ist es! Ich rief den Besitzer an und fragte, ob wir vorbeikommen könnten. Ich wollte ihn einfach sofort sehen.“ Das Pferd war das Richtige – manchmal erkennt man das ja direkt. Etwa eine Woche später war Matador Glastens allererstes eigenes Pferd, und die Reise konnte beginnen. Die beiden bauten eine erstaunliche Partnerschaft auf, es herrscht eine ganz besondere Chemie zwischen ihnen. Matador lebt im Alter von 29 Jahren immer noch bei Glasten, mit grauen Haaren und fehlenden Zähnen. „Matador hat meine Träume wahr werden lassen. Damit fing alles an. Ohne ihn wäre ich nicht so erfolgreich gewesen, und ich wäre nicht der Mensch und Reiter, der ich heute bin.“ 

Von Ponys zu Paralympics 

In den folgenden Jahren nahmen Glasten und Matador an Turnieren teil - aber es war nicht immer einfach.  

„Er war ein großartiges Pferd, auch wenn er nicht einfach zu reiten war. Er hat mich wirklich zu einem besseren Reiter gemacht. Ich habe so viel von ihm gelernt! Auf Turnieren konnte er ziemlich aufdrehen. Er hatte Angst vor der Musik, den Leuten in der Arena und wenn die Zuschauer klatschten - er spielte öfter mal verrückt! Früher waren alle meine Pferde sehr empfindlich und manchmal schwierig auf Turnier. Ohne Hände, klein und nicht sehr stark, stellte sich mir doch öfter die Frage, warum ich das getan habe.“ 

Aber Glasten hat es geschafft. Er ritt die sensiblen Pferde, wurde ein besserer Reiter. Gemeinsam erlebten er mit seinen Pferden eine fantastische Reise, von der die meisten Reiter nur träumen können - mit oder ohne Hände. „Ich hatte die schönste Zeit mit Matador, obwohl er so sensibel war. Zweimal niederländischer Meister, mein erstes Europaturnier mit 17 Jahren bei den Senioren und meine erste Weltmeisterschaft mit 18 Jahren, ebenfalls bei den Senioren.“ 

2010 gingen sie bei der Weltmeisterschaft in Kentucky an den Start. Die niederländische Trainerin sagte zu Glasten, dass sie mit ihm zufrieden wäre, wenn er unter den Top 10 wäre. Am Ende wurde er Vierter, und für die Paralympics ausgewählt. Leider verletzte sich sein Pferd. 

„Als wir von der Weltmeisterschaft in Kentucky zurückkehrten, war Matador verletzt und musste seine sportliche Karriere beenden. Das war wirklich schlimm, denn wir waren für die Paralympics aufgestellt, aber es war einfach nicht mehr möglich.“ 

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RNH Fotografie

Eine zweite Chance an der Spitze 

Aber was macht man, wenn man weltweit an Wettkämpfen teilgenommen hat und das plötzlich nicht mehr möglich ist? „Damals habe ich darüber nachgedacht, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Ich war 19 und es gab viele Dinge, die ich außer Pferden noch machen wollte. Andererseits waren meine Eltern bereit, mir ein neues Pferd zu kaufen, wenn ich das wollte, damit ich mich für die Paralympics, diesmal in London, bewerben konnte.“ 

Die Suche nach dem perfekten Para-Pferd begann erneut. Diesmal war es nicht einfacher. Im Stal van Silfhout in den Niederlanden hatte die damalige Besitzerin, Lotte Jansen, dann das ideale Pferd: den Schimmel Picasso (Jazz x Volkmar). Er war das Traumpferd für den jungen Reiter und sie bestritten gemeinsam unzählige große Turniere. Aufgrund verschiedener Verletzungen mussten sie für etwa zwei Jahre pausieren. Dann ging Glasten erneut auf die Suche - Aufgeben gehört nicht zu seinem Wortschatz.  

„Eines Tages rief mich Coby van Baalen an und sagte mir, dass sie das perfekte Pferd in ihrem Stall hätte. Die Besitzer waren die Luxemburger Familie Thill, und wir vereinbarten, dass ich das Pferd für sie reiten könnte. Es war ein echtes Barbie-Pferd. Ich trainierte viel mit Coby und Debora Pijpers, was dazu führte, dass wir national und international an den Start gingen und für Rio de Janeiro 2016 in der engeren Wahl waren.“ 

Ein Traum wurde wahr - wieder einmal - als der Trainer der Niederlande Glasten auf die Auswahlliste für die Paralympics setzte. Doch wieder einmal machte eine Verletzung den Traum zunichte. Diesmal war es nicht das Pferd, sondern Glasten selbst. 

„Ich hatte einen schweren Unfall mit einem Pferd. Ich stürzte vom Pferd und brach mir das Bein an zwei Stellen. Es hat lange gedauert, bis ich wieder fit war. Ich war acht Wochen lang bettlägerig, und das Gehen dauerte drei oder vier Monate. 10 bis 14 Wochen später versuchte ich wieder zu reiten, aber meine Beine waren schwach und nicht mehr stark genug. Ich versuchte, für Rio ausgewählt zu werden, aber ich war weder gut noch fit genug.“ 

Die Familie Thill hatte statt Wisconti ein anderes Pferd für Glasten, und dieses Mal erkannte er etwas. „Mit Windhook hatte ich das gleiche Gefühl, wie bei meinem ersten Pferd, Matador. Es war ein besonderer Moment, als ich ihn das erst Mal sah, wieder ein großes Pferd. Sein Trab war wie fliegen, und er war so freundlich. Ich willigte ein, ihn zu reiten, und wir hatten eine tolle Zeit zusammen." Diesmal führte es dazu, dass sie für die Paralympics in Tokio ausgewählt wurden - aber der Traum platzte erneut, denn das Pferd war 20 Jahre alt, und das Team war sich einig, dass es zu alt für die Reise nach Tokio war, vor allem wegen des Klimas.  

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„Das war natürlich eine riesige Enttäuschung! Aber nach zehn Jahren war ich wieder im niederländischen Team, und Windhook und die Familie Thill hatten meine Träume möglich gemacht!“ 

Glasten arbeitet weiter auf sein Ziel hin, an den Paralympics teilzunehmen

„Cilian O'Pardi (Ynes Hendriks ist der Besitzer) hat einen tollen Charakter und ist unglaublich hübsch! Er ist jeden Tag mit Eifer dabei, für mich zu arbeiten. Cor - so lautet sein Spitzname - ist sehr introvertiert. Aber wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Wir trainieren jetzt seit acht Monaten und werden ein immer besseres Team. Ich freue mich auf die Zukunft. Ich hoffe, dass ich Ende des Jahres an Turnieren teilnehmen und meine Träume verwirklichen kann und dass ich zum Team zurückkehre und sehe, wohin uns das führt."

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„Du schaffst es nicht allein“ 

Glastens Geschichte ist ein großartiges Beispiel dafür, dass man sich von nichts und niemandem davon abhalten lassen darf, seine Träume zu verfolgen. Es war nie einfach, ohne Hände aufzuwachsen, schwarz, adoptiert und schwul zu sein, wenn man als Teenager nur dazugehören will. Aber Glasten hat nicht versucht, sich anzupassen. 

„Ich bin Glasten, und das macht mich besonders. Niemand auf dieser Welt ist wie ich. Man nimmt mich, wie ich bin - und wenn die Leute mich nicht mögen, ist das in Ordnung. Für mich war es nie einfach. Ich bin ein kleiner Junge, ich bin adoptiert, ich habe eine Behinderung, und ich bin schwul. Im Alter von 12 bis 18 Jahren ist viel passiert, und es war schwierig, damit umzugehen, aber die Pferde haben mich nie verurteilt. Ich kann ich selbst sein, und die Pferde haben keine Meinung dazu. Ich habe immer gedacht, dass ich gut bin in dem, was ich tue, und das macht mich stark in meinem Privatleben und in meiner sportlichen Karriere.“ 

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„Ich kann reiten, ich habe einen schönen Job und ich kann Menschen mit Behinderungen zum Sport verhelfen.“ 

Behinderungen haben Glasten nie aufgehalten - nichts hat ihn aufgehalten. „Es war ein langer Weg, und ich habe in den letzten 17 Jahren meiner Karriere eine Menge erlebt. Aber das alles hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Reiten ist meine Leidenschaft und mein Traum. Es ist mir wichtig, anderen Menschen zu zeigen, was mit einer Behinderung möglich ist - und dass man alles erreichen kann, was man will, solange man hart dafür arbeitet.“ 

Auch wenn das Leben manchmal schwer war, hat Glasten es immer geschafft, positiv zu bleiben und trotz aller Widrigkeiten viele Dinge zu erreichen. Dinge, von denen er nur träumen konnte, als er aufwuchs und an sich selbst und seinen Entscheidungen im Leben zweifelte - und auch andere Menschen zweifelten an seinen Lebensentscheidungen.  

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Foto: Michelle Ijzerman

„Erwachsen werden war nicht immer einfach. Manchmal war ich mit mir selbst nicht zufrieden, aber ich habe immer versucht, eine bessere Version von mir selbst zu werden. Ich bin wirklich stolz darauf, wie weit ich heute gekommen bin. Ich habe mit dem Sport so viele tolle Dinge erreicht - und wer hätte gedacht, dass jemand mit einer Behinderung einmal ein Model für Tommy Hilfiger equestrian werden würde!“ 

Im Bild: Der atemberaubende Wallach Cilian O'Pardi (Sandreo x Ferro) ist im Besitz von Ynes Hendriks. Er ist ein KWPN-Zuchtpferd und Glasten hat das Vergnügen, ein Jahr lang mit ihm zu trainieren.

Glasten hat sowohl im Leben als auch im Sattel viele Höhen und Tiefen erlebt, aber er hat nie aufgegeben. Das mag an der einfachen Regel liegen, die ihm seine Eltern vermittelten: „Probiere es zweimal aus und bitte dann erst um Hilfe, damit du lernst, es selbst zu tun.“ 

„Ich hatte in meiner sportlichen Laufbahn immer viele Leute, die mir geholfen haben. Eine Sache, die ich gelernt habe, ist, dass man es nie allein schaffen kann. Es ist wichtig, dass man ein gutes Team um sich und sein Pferd hat. Der Tierarzt, der Hufschmied, die Trainer, die Physiotherapeuten und die Pferdepfleger. Ich hatte immer meine Eltern, die mich beim Training und bei den Turnieren unterstützt haben - und ich hatte einige wirklich gute Trainer, wie Coby. Als ich jünger war dachte ich, ich könnte das allein schaffen, aber Coby hat mir gezeigt, dass das nicht geht. Du musst ein tolles Team hinter dir haben.“ 

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Glasten und Windhook (Waikiki x Arogno) ein 22 jähriger Hannoveraner, der nun seinen Ruhestand bei Glasten genießt. Foto: Paard en pony gids

Eine Zukunft voller Träume 

Glasten hat schon früh mit seinen Social-Media-Plattformen begonnen, auf denen er sein Leben mit den Pferden teilt. 

„Ich bekomme Nachrichten von Followern, die mir sagen, dass ich sie zum Lächeln bringe und dass ich ihnen geholfen habe, sich für Pferde zu begeistern. Es macht mich glücklich, andere Menschen zu inspirieren. Jeden Tag wache ich auf und denke, wie toll es ist, dass ich die Dinge tun kann, die ich liebe.“ 

In vielerlei Hinsicht lebt Glasten das Leben, von dem er immer geträumt hat. Und was ist das nächste Ziel?

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„Ich habe einen wirklich großen Traum: Die Paralympics - mit einer Medaille.“ 

Das wird viel Zeit im Stall und im Sattel erfordern, aber für Glasten ist das tägliche Training unerlässlich. Auch wenn der Traum von den Paralympics wahr werden könnte, wird er wohl nie aufhören, mit den Pferden zu arbeiten und sich neue Ziele zu setzen. 

„Das ist das Schöne an Pferden. Man ist nie fertig, und man kann sich immer noch verbessern. Man kann immer mehr über Pferde und Training lernen. Ich dachte, ich hätte in meinen jungen Jahren schon alles gelernt, aber jetzt weiß ich, dass es in den nächsten Jahren noch so viel mehr zu lernen gibt. Es ist schön, jüngeren Reitern dabei zu helfen, die gleichen Träume zu verwirklichen, die ich selbst hatte. Jedes Mal, wenn ich ein Ziel erreiche, finde ich ein neues. Das macht mich zu dem, was ich bin.“ 

Auch lesen: Jesse Drent: "Ich kann es nicht ertragen, den Pferden Lebewohl zu sagen"

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