Wenn wir unsere Pferde trainieren und mit ihnen interagieren, löst unser Verhalten verschiedene Reaktionen in Form von Signalstoffen im Gehirn des Pferdes aus. Das Wissen um diese ist von großer Bedeutung für das Verständnis, warum Pferde so reagieren, wie sie es tun. Hier erfahren Sie mehr über die vier wichtigsten Signalstoffe, die ins Spiel kommen, wenn Pferde interagieren und lernen.
Auch lesen: Das Gehirn des Pferdes
Bettina Hvidemose Riisberg leitet das Unternehmen Center for Dyreterapi, wo sie unter anderem in Verhalten und physischer Therapie für Pferde und Hunde unterrichtet. Wissen über das Verhalten und Lernen der Tiere bildet die Grundlage für den Großteil von Bettinas Arbeit, die auch physiurgische Therapie, Rehabilitation und Osteopathie für Pferde und Hunde umfasst.
Dopamin ist ein Neurotransmitter – ein Signalstoff im Gehirn – und ein Hormon, das für Lernen und Bewegung wichtig ist. Zudem ist Dopamin entscheidend für die Motivation und Aufmerksamkeit des Pferdes. Wenn etwas gelingt und man sich darüber freut, wird dieses Gefühl durch die Freisetzung von Dopamin im Gehirn ausgelöst. Darüber hinaus wissen wir, dass Dopamin dazu beiträgt, das sogenannte parasympathische Nervensystem zu stimulieren. Das ist der Teil des Nervensystems, der sowohl das Pferd als auch den Menschen entspannen und zur Ruhe kommen lässt.
Man betrachtet es als ein Zeichen von etwas Gutem, wenn das Pferd schmatzt, gähnt oder sich um den Mund leckt. Das kann zum Beispiel in Trainingssituationen oder beobachtet werden, wenn ein Therapeut mit der Entspannung des Pferdekörpers arbeitet. Die Wissenschaft hat gezeigt, dass diese Verhaltensmuster ein Produkt der Dopaminfreisetzung im Gehirn des Pferdes sind und somit ein Ausdruck von etwas Angenehmem.
Mit anderen Worten, Dopamin ist eine Substanz im Gehirn, die mit Begeisterung und Ruhe verbunden ist. Daher ist es selbstverständlich wünschenswert, dass unser Training und die Interaktion mit dem Pferd dopaminauslösend sind. Wenn das Pferd im Training gut entspannen kann und du Schmatzen, Gähnen und Lecken um den Mund zusammen mit einer entspannten Körpersprache siehst, ist das ein Zeichen dafür, dass deine Trainingsmethoden für dein Pferd geeignet sind.
Das Signalstoff Glutamat stärkt die Verbindung zwischen den verschiedenen Gehirn- und Nervenzellen des Pferdes. Damit ist es eine wichtige Substanz für die Aufrechterhaltung eines ausgeglichenen und gut funktionierenden Nervensystems, ebenso wie es wichtig ist, wenn das Pferd Neues lernen und neue Verbindungen im Gehirn bilden soll. Jede Form des Lernens erzeugt eine kleine physiologische Veränderung im Gehirn, und Glutamat ist notwendig, damit dies geschehen kann.
Wir sagen oft, dass man etwas wiederholen muss, um darin gut zu werden. Das gilt auch für Pferde. Wiederholungen stärken die neurologischen Wege, für deren Etablierung Glutamat verantwortlich ist. Je mehr Wiederholungen erfolgreichen Trainings stattfinden, desto mehr verändert sich das Gehirn in die gewünschte Richtung. Daher lohnt es sich, geduldig zu sein und eine Übung viele Male zu wiederholen. Kurz gesagt, zu wenig Glutamat führt zu verminderter Lernfähigkeit.
Glutamat ist außerdem in einen Prozess involviert, der die Aktivität der Gehirnzellen reduziert und damit auch angst- und stresshemmend wirkt. Es ist wichtig, dass das Pferd kontinuierlich herausgefordert und entwickelt wird, ohne dass dies Angst, Konflikte, Stress und Frustration beinhaltet.
Ein anderes Signalstoff und Hormon, das positive Reaktionen beim Pferd auslöst, ist Serotonin. Es trägt dazu bei, die Stimmung zu stabilisieren und vermittelt ein Gefühl von Wohlbefinden und Zufriedenheit. Gleichzeitig hilft dieser Stoff, Appetit, Verdauung und Schlaf zu regulieren. Ein Serotoninmangel kann unangemessene Regulationen im Gehirn und Nervensystem verursachen und somit Stress und physiologische Ungleichgewichte hervorrufen.
Serotonin ist eine wichtige Komponente in einem komplexen Hormonhaushalt, und daher kann ein Überschuss an Serotonin Herausforderungen darstellen. Dies geschieht selten, und Sie können Ihr Pferd nicht so sehr loben, dass dies allein ein Ungleichgewicht erzeugt. Aus trainingstechnischer Sicht ist es daher immer noch sinnvoll und wünschenswert, dass das Pferd Serotonin im Gehirn freisetzt – und das wird nur durch viel positive Interaktion, Lob, Geduld und Zusammenarbeit erreicht.
Das Signalstoff und Hormon Adrenalin ist ein schnell wirkendes Stresshormon, das aktiviert wird, wenn man erschrickt. Man bemerkt, dass der Puls steigt und alle Sinne geschärft werden. Diese Reaktion ist darauf zurückzuführen, dass Adrenalin den Körper darauf vorbereiten soll, in einer gefährlichen Situation mehr leisten zu können und das Überleben zu sichern. Dies gilt natürlich auch für das Pferd.
Da das Pferd ein Beutetier ist, das unter natürlichen Bedingungen sofort fliehen können muss, reagiert es sehr leicht auf die Freisetzung von Adrenalin. Wenn etwas potenziell Gefährliches passiert, muss es einfach sofort fliehen können.
Wenn das Pferd sich anspannt, wegläuft oder Widerstand zeigt, ist das ein Ausdruck für eine erhöhte Freisetzung von Adrenalin. Adrenalin spielt auch zusammen mit dem Stresshormon Kortisol, das länger wirkt und die Sensitivität des Pferdes langfristig erhöhen kann. Wenn das Pferd häufig Stress ausgesetzt wird oder anhaltende Schmerzen hat, steigt das Stressniveau dauerhaft an und macht das Pferd empfindlicher.
Die große Frage ist, wie du dein Wissen über die Chemie im Gehirn des Pferdes nutzen und dafür sorgen kannst, eine Mischung von Signalstoffen im Pferd zu erzeugen, die die beste Grundlage für ein ausgeglichenes Verhalten schafft. Dies fördert eine gute Zusammenarbeit mit dir und trägt zur Steigerung des Wohlbefindens des Pferdes bei. Eine angemessene Balance im Gehirn hängt kurz gesagt von einer ausgewogenen Ernährung, sinnvollem Training und einer gesunden Physis ab.
Eine ausgewogene Ernährung spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung von Signalstoffen. Bestimmte Nährstoffe, Vitamine und Mineralien sind notwendig, damit das Pferd die verschiedenen Stoffe bilden kann. Wenn beispielsweise ein Mangel an der Substanz Tryptophan und/oder B-Vitaminen in der Ernährung des Pferdes besteht, kann dies die Bildung von Serotonin erschweren. Natürlich gibt es viele andere Zusammenhänge, und diese Perspektive ist an sich komplex. Daher wird immer empfohlen, professionelle und qualifizierte Hilfe bei der Erstellung eines Futterplans für das einzelne Pferd zu suchen.
Wenn wir unsere Pferde trainieren, sind die Impulse, die wir ihnen geben, entscheidend für die Reaktionen des Pferdes. Wenn wir es unter Druck setzen oder etwas tun, was schmerzhaft oder unangenehm ist, erhöht sich das Adrenalinniveau. Dies kann Stress und Sensibilität zur Folge haben und problematisches Verhalten erzeugen.
Wenn wir hingegen gut darin sind, unseren bereits leichten Druck zu lösen, wenn das Pferd beispielsweise auf die Zügel oder Schenkel reagiert, erhöhen wir Dopamin und Serotonin, was beim Pferd ein angenehmes Gefühl erzeugt.
Wenn wir kontinuierlich trainieren, zusammenarbeiten und dem Pferd Erfolgserlebnisse mit dem Lernen geben, tragen wir zur Aufrechterhaltung des Glutamatgleichgewichts bei. Eine gesunde Chemie im Gehirn spiegelt daher auch ein ausgeglichenes und angepasstes Pferd wider – und dass das Training ohne Schmerz und Unbehagen stattfindet, sondern mit vielen Erfolgserlebnissen und Bestätigungen des gewünschten Verhaltens.
Die physische Verfassung des Pferdes hat ebenfalls einen starken Einfluss auf die Chemie des Gehirns. Schmerzen führen insbesondere zu einer erhöhten Freisetzung von Stresshormonen. Dies geschieht, weil Stresshormone eine schmerzstillende Wirkung haben. Es gibt beispielsweise viele Geschichten von Menschen, die in einen Verkehrsunfall verwickelt waren, aber so geschockt waren, dass sie erst bemerkten, dass sie Schmerzen hatten, als sie zur Ruhe kamen. Dies liegt daran, dass der Schock eine hohe Konzentration von Stresshormonen freisetzt und diese stark schmerzlindernd wirken, bis ihr Niveau wieder abfällt.
Als Beutetier ist der Körper des Pferdes so beschaffen, dass er automatisch mehr Stresshormone ausschüttet, wenn es Schmerzen hat. Dies hilft dem Pferd, sich selbst vor Schmerzen zu schützen und sicherzustellen, dass es vor Raubtieren in der Natur fliehen kann, auch wenn es Schmerzen hat.
Wenn der Stresspegel des Pferdes dauerhaft erhöht ist – wenn es überempfindlich ist, Widerstand leistet oder sogar ängstlich oder nervös erscheint – kann eine physische Untersuchung immer empfohlen werden. Schmerzen sind oft die direkte Ursache für solche Verhaltensweisen.
Auch lesen: Stärke die Beziehung zu deinem Pferd - Teil 1
Quellen:
Dr. Stephen Peters & Martin Black: Evidence-Based HorseManship
Janet Jones: Horse Brain, Human Brain: The Neuroscience of Horsemanship
Suzanne Rogers: Equine Behaviour in Mind – Applying Behavioural Science