Pferde züchten ist nicht einfach. Es erfordert viel Wissen und Können, und man kann den Erfolg nicht garantieren. In diesem Artikel, gibt Malgré Tout dir einen kurzen Einblick, was es zu beachten gibt, welche gesundheitlichen Aspekte aktuell diskutiert werden und wie man die größten Fehler bei der Zucht vermeidet.
Pferdezucht hat jahrhundertelange Tradition. Durch gezielte Anpaarung von Elterntieren ist es gelungen über Generationen hinweg, genau die Pferde zu züchten, die es zu der jeweiligen Zeit bedurfte. Im Mittelalter mussten Ritterpferde her, in der Barockzeit Tiere, mit denen die hohen Herrschaften freudige Momente erleben durften. Es bestand Bedarf an genügsamen, starken Pferden für die Landwirtschaft und Kameraden, mit denen die Armeen in den Krieg ziehen konnten. Heute legt man Wert auf einen Sportpartner und Freizeitbegleiter. Die Warmblutzucht ist hier führend, das moderne Warmblutpferd glänzt durch Rittigkeit und Sportlichkeit und wenn man Fotos von vor 50 Jahren mit den heutigen Pferden vergleicht, so springt die Wandlung im Typ sofort ins Auge.
Die Deutschen Warmblutzuchtverbände, also Hannoveraner, Holsteiner, Oldenburger etc. sind die ältesten registrierten Warmblutzuchtverbände auf der Welt. Sie alle wurden vor mehr als einhundert Jahren gegründet und nahmen starken Einfluss auf die Erfolgsgeschichten der Mitte des letzten Jahrhunderts gegründeten Französischen Zuchtverbandes Selle Francais, den Verband für das Dänische Warmblut und den Niederländischen Verband KWPN.
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Die gezielte Zucht ist deswegen so wichtig, da die Anforderungen der Menschen an die Pferde sich im Laufe der Zeit stetig wandeln. Nur, wenn die Pferde den Anforderungen der jeweiligen Zeit und dem Nutzen entsprechen, ist der Fortbestand ihrer Art gesichert. Aber züchten ist langwierig. Es heißt: „In Generationen denken“. Per Definition wird Zucht als „Die Biologie der kontrollierten Fortpflanzung mit dem Ziel der genetischen Umformung“ bezeichnet. Danach sollen gewünschte Eigenschaften verstärkt und unerwünschte Eigenschaften unterdrückt werden. Gezielt werden Elterntiere ausgewählt und miteinander verpaart. Diesen Vorgang nennt man Selektion. Hinzu kommen Zuchtwertschätzungen und Leistungsprüfungen, um die Zuchterfolge möglichst unabhängig nachzuvollziehen.
Hinter all dem steht die Vererbungslehre – Genetik. Diese Lehre, die im Wesentlichen von Gregor Mendel 1866 begründet wurde, befasst sich mit der Ausbildung von erblichen Merkmalen und der Weitergabe von Erbanlagen an die nächste Generation. Mit diesem Wissen gelingt es ganz gezielt zu kreuzen und zu verpaaren und so Zuchtfortschritte zu ermöglichen.
In allen Ländern gibt es erfolgreiche und bekannte Pferdezüchter, die teilweise schon seit Generationen dafür sorgen, dass gesunde und vielversprechende Fohlen das Licht der Welt erblicken. Es lohnt sich immer, sich den Rat von Fachleuten anzuhören. Gerade wenn du auf dem Gebiet der Pferdezucht noch nicht viel Erfahrung hast, nutze den Weg der Kontaktaufnahme. Lasse dich von Experten aus den Zuchtverbänden beraten, schaue, ob du einen guten Züchter in deiner Nähe findest (auch hier hilft der Zuchtverband) und bitte einmal vorbeikommen zu dürfen. Nimm Ratschläge an und lasse dir Tipps geben. Erfahrene, gute Pferdezüchter haben wie auch die Zuchtverbände das Wohlergehen des Tieres und die Weiterentwicklung der jeweiligen Rasse im Fokus. Sie werden dir mit Sicherheit gerne zur Seite stehen. Das gilt für die Auswahl des richtigen Hengstes ebenso wie für die Haltung der Stute und die Aufzucht des Fohlens. Es ist ein langer Weg von der Entscheidung, dass man züchten möchte, bis hin zum selbstgezüchteten, gesunden Reitpferd. Viele Dinge gilt es zu bedenken und viele Fehler gilt es zu unterlassen. Umso wichtiger ist es gut vorbereitet zu sein, um wenigstens vermeidbare Irrtümer und Mängel auch wirklich zu vermeiden.
Das heutige Warmblutpferd ist in seiner Sportlichkeit und Elastizität dem Pferd von vor über 50 Jahren weit überlegen. Das hat durchaus Einfluss auf Merkmale des Exterieurs. So ist das moderne Sportpferd langbeiniger, bringt deutlich mehr Rahmen und Größe mit, ist leichter und elastischer als die Verwandten aus früheren Zeiten. Trendsetter für die moderne Zucht war der Hannoveraner Verband. Hier konnte auf eine sehr große Population von Pferden zurückgegriffen werden, die Zuchttiere wurden streng selektiert und die Züchter waren zu einem großen Teil bereit, dem Anspruch des Wandels nachzugehen. Aber auch die anderen Zuchtverbände, wie Trakehner, Holsteiner, Oldenburger usw. verfolgten und verfolgen konsequent ihre Zielsetzung. Jeder Zuchtverband hat festgeschriebene Zuchtziele, die es zu erreichen gilt. Nach diesen Kriterien werden Elterntiere und Nachkommen gleichermaßen geprüft und bewertet.
Auch auf das Interieur wird viel Wert gelegt. So halten Züchter die Motivation und Leistungsbereitschaft sowie die Rittigkeit der Nachzucht im Auge. Denn nur, wenn die Pferde mitmachen und sich gut reiten lassen, wird sich ein Markt für sie finden. Es hilft dem Reiter nicht, einen Bewegungskünstler unter dem Sattel zu haben, den er nicht bedienen kann. Und auch beim Springpferd ist nicht entscheidend, dass das Pferd die höchsten Sprünge überfliegt, sondern, dass es sich gut zum Sprung reiten lässt.
In allen Warmblutzuchten gibt es Linien, deren Nachkommen zwar unglaubliches sportliches Potential haben, die aber aufgrund ihres speziellen Charakters eher in Profihand gehören. Es ist also sehr wichtig, Erkundigungen einzuholen, welche Abstammung sich am besten für welchen Zweck eignet. Vor allem, wenn man auf diesem Gebiet noch unerfahren ist.
Über die Gesundheit in der Pferdezucht wird seit Jahrzehnten grenzübergreifend diskutiert. Natürlich ist Grundvoraussetzung für ein gesundes Fohlen, gesunde Elterntiere. Mit der Stute, die vorne an chronischer Hufrollenentzündung und hinten an Spat leidet und daher schon zehnjährig nicht mehr reitbar ist, legt man nicht die beste Grundlage für langlebige Nachzucht. Auch sollte man ausnahmslos geprüften Hengsten, die in Zuchtverbänden anerkannt sind, den Vorzug geben. Hier sind die gesundheitlichen Aspekte untersucht, aber auch Exterieur und Interieur entsprechen den Rassestandards. Bei älteren Hengsten lohnt sich in jedem Fall ein Blick auf die Nachzucht, die bereits im Sport ist.
Viele Diskussionen über gesundheitliche Aspekte relativieren sich. So waren vor knapp 20 Jahren Chips (OCD - Osteochondrosis dissecans) in aller Munde. Heute weiß man, dass ein Chip nicht kriegsentscheidend ist. Liegt er an einer Stelle, wo er stört, kann er dank fortgeschrittener Behandlungsmethoden zumeist einfach entfernt werden.
Stört er nicht, lässt man ihn da, wo er ist. Die viel diskutierten Kissing Spines sind 2018 in der Neuauflage des deutschen Röntgenleitfadens für die Kaufuntersuchung deutlich relativiert worden. Grund ist, dass es selbst bei positivem Befund nicht zwangsläufig zu tatsächlichen Einschränkungen des Pferdes kommt. Daher ist auch zweifelhaft, ob man Pferde mit dieser Diagnose von der Zucht ausschließen muss, selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, dass Kissing Spines vererbbar sind.
Seit einigen Jahren gibt es andere Krankheiten, die in den Fokus bei der Pferdezucht gerückt sind. Aber auch hier gilt es, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Oftmals fehlen wissenschaftlich abgesicherten Untersuchungen, so dass sich die Aussage ob und inwieweit der Befund Auswirkungen auf das einzelne Pferd hat nicht mit Sicherheit treffen lässt. In den letzten Jahren gab es große Diskussionen über PSSM (Polysaccharide Storage Myopathy), einem Defekt in der Muskulatur. Aktuell ist ECVM (Equine Complex Vertebral Malformation – missgebildete Wirbel in der unteren Halswirbelsäule) in aller Munde. Was hat es damit auf sich, woher kommen die Erkrankungen und kann man züchterisch etwas dagegen tun?
Es handelt sich um eine Bindegewebserkrankung, bei der sich die Oberhaut von der Unterhaut löst. Dadurch reißt die Haut einfach ein. Außerdem sind die Fohlen sehr schwach und leiden häufig an überdehnbaren Gelenken. Wenn sie nicht ohnehin schon tot geboren werden oder es zum Abort kam, ist der einzige Weg sie kurz nach der Geburt zu erlösen, da die Krankheit unheilbar ist. Die Krankheit ist autosomal-rezessiv vererblich. Das bedeutet, dass die Erkrankung nur dann in Erscheinung tritt, wenn das Chromosom der Mutter und das Chromosom des Vaters die krankmachende Veränderung trägt. Ob ein Pferd Träger ist, lässt sich leicht anhand eines Gentests prüfen. Man sollte niemals zwei Träger-Pferde verpaaren, wenigstens ein Elternteil sollte frei von dem Gendefekt sein.
PSSM wird in zwei Typen unterschieden: PSSM Typ 1 und PSSM Typ 2. Ersteres ist eine Störung des Zuckerstoffwechsels die eine übermäßige Einlagerung von Glykogen im Muskel verursacht. Ausschlaggebend ist eine Genmutation. PSSM1 äußert sich durch Bewegungsunlust, Symptome ähnlich dem Kreuzverschlag, Muskelzittern und -verspannungen, manchmal durch Probleme beim Rückwärtsrichten oder übermäßigem Schwitzen. Die am häufigsten betroffenen Rassen sind Kaltblüter und Quarter Horses. Nachweisen lässt sich PSSM1 durch einen Gentest. PSSM Typ 2 fasst insgesamt sechs verschiedene Genvarianten zusammen, die für die Symptome verantwortlich sind. Es ist, ein Sammelbegriff für eine Reihe von Muskelerkrankungen mit ähnlichen Symptomen. Zu Grunde liegt eine genetisch bedingte Veränderung, die Einfluss auf den Proteinstoffwechsel hat, der für die Muskelfunktionen wichtig ist. Viele Warmblüter scheinen Träger dieser Genmutation zu sein. Es äußert sich anfangs durch Bewegungsunlust, gelegentlich auftretende, wechselnde Lahmheiten, Verspannungen und Steifheit und endet oftmals in Belastungs- und Trainingsintoleranz. Sprich, die Pferde machen nicht mehr mit, weil sie einfach Muskelschmerzen haben. Es sind auch schon Fälle aufgetreten, in denen die Pferde zur Ataxie neigten oder einen Hahnentritt zeigten. Ist erkannt, dass das Pferd an PSSM leidet, kann man durch gutes Fütterungs- und Trainingsmanagements recht erfolgreich entgegenwirken.
Was bedeuten diese Erkrankungen aber hinsichtlich des Zuchteinsatzes? Es ist so, dass viele Träger unerkannt in der Zucht sind, denn nur ein Gentest kann die Vermutung eines Gendefektes überhaupt erst absichern. Der Hannoveraner, Oldenburger und Holsteiner Verband haben sich ebenso wie das Westfälische Pferdestammbuch und der Trakehner Verband einem Projekt der International Association of Horse Breeding GmbH & Co.KG (IAFH) angeschlossen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, fundamentale wissenschaftliche Erkenntnisse zu dieser Erkrankung zu erlangen. Bislang gibt es noch keine validierten Untersuchungen und wissenschaftlich abgesicherten Ergebnisse. Und es ist auch lange nicht gesagt, dass ein Fohlen, dessen Elternteile PSSM2 positiv sind, jemals Probleme haben wird. Begegnet man dem Verdacht, dass das Pferd an PSSM2 leidet, kann, wie gesagt, nur ein Gentest Sicherheit bringen. Möchte man nicht gleich eine Biopsie durchführen, kann häufig kohlenhydratarme Ernährung zu einer Verbesserung des Gesundheitszustands führen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass dem Pferd wertvolle Proteine und ausreichend Energie (z.B. über Öl) zugeführt wird.
Das zweite Krankheitsbild, das Züchter gerade umtreibt, ist ECVM, Missbildungen der unteren Halswirbel C6 und C7. Hier stehen Rittigkeitsprobleme, aber auch Pferde die plötzlich einfach stürzen oder Totgeburten im Vordergrund. Grund ist, dass die unteren Halswirbel nicht richtig ausgebildet sind und Muskeln, die die Halswirbelsäule stabilisieren nicht korrekt ansetzen können. Bei einigen Pferden wurde sogar eine fehlende oder verformte erste Rippe festgestellt. Dadurch ist die Stabilität des Brustkorbs schwer beeinträchtigt, da viele wichtige Muskelgruppen dort „befestigt“ sind. Häufig sind diese Fehlbildungen bei hoch elastischen und besonders bewegungsstarken Pferden zu finden. Ob und inwieweit die Krankheit vererbt wird, ist nicht abschließend geklärt.
Der Vorwurf, dass diese Problematik daher stammt, dass die Pferde immer beweglicher und dadurch instabiler gezüchtet werden, ist ebenfalls nicht bewiesen. Die heutigen Diagnosemöglichkeiten sind so unglaublich viel besser als noch vor einigen Jahren, dass es inzwischen gelingt, Dinge nachzuweisen, die man früher einfach nicht gefunden hat. Allerdings besteht keine Chance festzustellen, ob es die Probleme nicht schon vor 50 Jahren gegeben hat, man sie nur nicht erkennen konnte.
ECVM lässt sich nur röntgenologisch nachweisen – allerdings ist das nicht so einfach. Auf den herkömmlichen seitlichen Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule ist es kaum zu erkennen und auch wenn das Röntgengerät anders positioniert wird, liegt der letzte Halswirbel fast hinter dem Schulterblatt und ist kaum sichtbar.
Die Vererblichkeit von ECVM lässt sich wissenschaftlich nicht nachweisen. Auch ist keinesfalls gesagt, dass Pferde, bei gutem Management und Training nicht schmerzfrei sportlichen Einsatz bis in die höchsten Klassen zeigen können, wenn sie eine Halswirbelveränderung haben. Auf diesem Gebiet gilt es noch einen langen Weg zu beschreiten, bevor abgesicherte Ergebnisse vorliegen.
Die Marktsituation wird immer kritischer, die Untersuchungsmethoden immer genauer. Wenn man ein Pferd zum späteren Verkauf züchten möchte, gilt es genau zu überlegen, welche Anpaarung sinnvoll ist. Züchten ist langwierig und teuer. Selbst Züchter mit viel Erfahrung züchten keinesfalls nur Überflieger. Kurzfristige Nachbesserungen bei gravierenden Fehlentscheidungen sind nicht möglich. Das try-and-error-Prinzip lässt sich nicht umsetzen. Daher gilt: Gut planen, Fachleute ansprechen und auf deren Rat hören. Eventualitäten so gut es geht ausschließen und nicht zuletzt auf das Quäntchen Züchterglück hoffen, dass jeder braucht.
Eines ist allerdings auch sicher: Geht alles gut, dann gehört das eigene Fohlen und die Begleitung seiner Entwicklung zum Reitpferd zu den schönsten Erlebnissen, die man mit Pferden haben kann.
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May-Davis S., Walker C. Variations and Implications of the Gross Morphology in the Longus colli Muscle in Thoroughbred and Thoroughbred Derivative Horses Presenting With a Congenital Malformation of the Sixth and Seventh Cervical Vertebrae. Equine Vet. Sci. 2015.
Valberg SJ., Henry ML., Herrick KL., Velez-Irizarry D., Finno CJ. & Petersen JL. Absence of myofibrillar myopathy in Quarter Horses with a histopathological diagnosis of type 2 polysaccharide storage myopathy and lack of association with commercial genetic tests. Equine Vet J. 2022.
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