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Julia Krajewski: Wenn Träume wahr werden

Foto: FEI / Christophe Taniére, Libby Law Photography, EFE Kai Försterling

Die erste weibliche Olympia-Goldmedailliengewinnerin in der Vielseitigkeit  

Auf den ersten Blick denkt man, dass das Jahr 2021 für die 34-jährige deutsche Spitzenreiterin Julia Krajewski ein Traum gewesen sei. Erst beim zweiten Blick stellt sich heraus, dass es mit der schlimmsten Zeit überhaupt startete. Zuerst galt es den Tod des Vaters zu verkraften, dann musste Julia Krajewski ihr Top-Pferd Samurai du Thot in den Ruhestand schicken. In Tokio an die Spitze zu kommen, erforderte unglaubliche Disziplin, Stärke, harte Arbeit und Entschlossenheit - und ein weiteres sehr talentiertes Pferd, Amande De B'Neville.  

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Tatsache ist, dass es zu Beginn des Jahres 2021 nicht danach aussah, als wären die Olympischen Spiele in Tokio ein realistisches Ziel für Julia Krajewski. Nachdem sie gezwungen war ihr Spitzenpferd „Sam“ in den Vorruhestand zu entlassen konzentrierte sie sich auf das Training der 11-jährigen Stute Amande De B'Neville. Eher überraschend gewann das Paar den CCI4* in Saumur (FRA) und Bronze bei den deutschen Meisterschaften im Frühjahr. Das ebnete den Weg, der Welt zu zeigen, dass die beiden das Zeug dazu hatten, Olympiasieger zu werden. In einem Interview mit der FEI direkt nach dem Sieg in Tokio sagte Julia, dass sie super stolz auf ihr Pferd sei und unglaublich erleichtert und glücklich, dass sie es geschafft hatte: „Ich bin sehr dankbar für alle, die mich den ganzen Weg über begleitet haben. Ich habe meinen ersten Pony-Europameistertitel vor 20 Jahren gewonnen. Seitdem ist es eine Achterbahnfahrt gewesen. Es fühlt sich ziemlich unwirklich an.“ 

Früh übt sich

Julias reiterliche Karriere startete auf dem Rücken des Shetties „Mohrchen“ mit Mutti am Führzügel im stolzen Alter von drei Jahren. Sie stammt nicht aus einer typischen Reiterfamilie. Die Eltern begannen mit den Töchtern gemeinsam als Hobby-Einsteiger und Autodidakten in die Pferdewelt einzutauchen, als die Mädels – Julia hat noch zwei jüngere Schwestern - ihre Begeisterung für die Pferde entdeckten. Das Virus erfasste die komplette Familie und auf ihrem Hof in Nordhorn etablierte sich bald eine Dartmoor und Connemaraponyzucht. 

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Julia und ihr erstes Shetty Mohrchen. Foto: Von Julia Krajewski

Als Julia ihren ersten Pony-Europameistertitel gewann, war sie erst 12 Jahre alt. Den ersten Turniererfolg erzielte sie im zarten Alter von sieben Jahren – 3. Platz in der E-Dressur. Dann wechselte sie in die Vielseitigkeit und es begann ein steiler Aufstieg. Mit Cyrano v. Victoria’s Chirac, der Julia anfangs das Leben recht schwer machte, gelang ihr 2000 der Sieg beim Bundeschampionat der Vielseitigkeitsponys. Ein Jahr später wurden die beiden Doppel-Europameister. Zahlreiche gute Platzierungen auf Turnieren der jeweiligen Altersklassen folgten. Julia hat in der Pony-, Junioren- und Junge Reiter-Zeit zehn Medaillen in Europameisterschaften und bei einigen Deutschen Meisterschaften gewonnen. So gut wie alle auf selbst ausgebildeten Ponys und Pferden.  

Nach dem Abitur 2007 wurde Julia in die Deutsche Talentförderung für Vielseitigkeit aufgenommen und absolvierte anschließend eine Ausbildung zur Pferdewirtin mit Schwerpunkt Reiten. Hier schloss sie als Jahrgangsbeste ab und gehörte drei Jahre der Sportfördergruppe der Bundeswehr an. Von da an baute Julia ihre Ausbildung und Erfahrung neben der Arbeit mit ihren Pferden und den Turnieren weiter aus. Nach ihrer erfolgreich absolvierten Prüfung zur Pferdewirtin im Jahr 2012 nahm sie eine Stelle als Junior Managerin in der Abteilung „Ausbildung und Wissenschaft“ bei der FN an. 2015 wurde sie zertifizierte Ausbilderin an der Trainerakademie Köln des Deutschen Olympischen Sportbundes, der Ausbildungsstätte für die höchsten Trainerlizenzen in Deutschland. Von 2017 bis Ende 2021 war sie Bundestrainerin der Junioren und ab 2022 übernahm sie schwerpunktmäßig das Training der Altersklasse U25 sowie der Perspektivgruppe Vielseitigkeit. 

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Ein viel zu früher Ruhestand 

Die Geschichte von Julias Weg zur Olympischen Goldmedaille ist eng mit Samourai du Thot verbunden. Der 15-jährige Wallach, war bis zum letzten Sieg derjenige, der Julia das Ziel Olympia näherbrachte. Mit ihm hatte sie ihren wirklichen Durchbruch im Jahr 2016 mit einem dritten Platz bei ihrer CCI4* Premiere in Luhmühlen. Im selben Jahr reisten die beiden - zunächst als Reserve - nach Rio de Janeiro, wo sie ihr Debüt bei den Olympischen Spielen gaben und eine silberne Mannschaftsmedaille mit nach Hause brachten. Den Traum einer weiteren „olympischen Tournee“ musste Julia dann aber Anfang 2021 plötzlich aufgeben. Das Pferd hatte sich im Herbst 2020 sehr gut gezeigt, erkrankte aber im Winter unheilbar. „Er hatte sich eine bakterielle Infektion zugezogen und machte einen harten Prozess durch. Dann ging es ihm wieder besser und wir fingen langsam an ihn zu trainieren und ihn auf die Olympiade vorzubereiten. Das ging leider schief und Samourai du Thot musste letztendlich ein Auge entfernt werden“, erklärte sie. Die Operation war unumgänglich, da sich eine schwere Entzündung entwickelte und er schließlich seine Sehkraft auf einem Auge ganz verlor. „Das war natürlich ein großer Schlag. Es ist völlig normal, dass Pferde irgendwann in Rente gehen, aber das kam so plötzlich und war wirklich tragisch“, erinnert sich Julia. 

Sam genießt heute die freie Zeit bei einer Freundin von Julia in der Nähe von Warendorf und blickt zurück auf 56 gemeinsame Starts mit Julia, von denen das Paar 18 gewonnen hat und 40-mal unter den ersten fünf landete. Eine Bilanz die besser kaum sein kann.  

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Weltklasse im Entstehen 

Die Entscheidung hat auch die Saison 2021 für Julia komplett verändert, da sie sich auf die jüngeren Pferde konzentrieren musste. Eines davon war die 11-jährige Stute Amande de B'Neville, die Julia bereits seit sechs Jahren ritt und mit der sie den CCI4 * -L in Saumur, Frankreich, im Mai 2021 gewann. 

Bei den folgenden Deutschen Meisterschaften in Luhmühlen im Juni errangen die beiden die Bronzemedaille und sicherten sich damit das Ticket für die Olympischen Spiele in Tokio. Amande de B'Neville ist auch bekannt als „Mandy“ und von Natur aus eine echte Kämpferin, immer total motiviert und gibt alles. „Mandy ist eine echte Stute, was es manchmal erforderlich macht, Kompromisse eingehen zu müssen. Sie mag zusätzliche Aufmerksamkeit wie etwa bei der Olympiade“, erklärte sie. Eine weitere Sache, die Mandy besonders macht, ist, dass sie unglaublich kooperativ ist, und immer bereit ist, mehr als ihr Bestes zu geben.

Wenn alles zusammenkommt 

Von allen Pferdesportdisziplinen wird die Vielseitigkeit oftmals als die Schwierigste angesehen. Allein die Tatsache, dass Pferd und Reiter drei Tage hintereinander in drei verschiedenen Disziplinen antreten müssen, lässt die meisten Menschen bereits im Voraus aufgeben. Aber für Julia ist es genau diese Herausforderung, die sie antreibt. Sie ist fasziniert von der Idee, den „vollständigen Athleten“ zu schaffen. Das vollständig athletische Pferd. Sie vergleicht es mit dem Triathlon. „Das Pferd muss nicht nur für die Dressur und im Parcours gut ausgebildet sein, sondern muss auch im Gelände kämpfen können und dafür super fit sein. Und es muss wirklich selbstständig denken können. Im Dressurviereck kann sich das Pferd auf mich verlassen, aber im Gelände muss es auch mal seine eigenen Entscheidungen treffen. Am letzten Tag einer Prüfung ist beim Springen volle Konzentration gefragt.“ 

Das Wichtigste für Julia jedoch ist, eine verlässliche Partnerschaft mit dem Pferd aufzubauen und zu einem echten Team zusammen zu wachsen. Das braucht Jahre, aber nur wenn das gelingt, lassen sich gemeinsam Höchstleistungen erzielen. Genau diese Partnerschaft ist zwischen Julia und Mandy gewachsen und was sie zu leisten im Stande sind, zeigten sie par excellence in Tokio. Zu ihrer eigenen Überraschung fand sich Julia Krajewski nach der Dressur auf dem fünften Platz wieder, obwohl sie dachte, sie wäre deutlich weiter hinten gelandet. Im Gelände lief es für das Duo dann richtig gut, woraufhin Julia ziemlich zuversichtlich war, dass sie weit vorne abschneiden könnten, denn Mandy ist bekannt dafür, im Parcours sehr vorsichtig zu sein.

Und das war es wirklich. Die erste weibliche Olympiasiegerin in der Vielseitigkeit! 

Getreu dem Motto von Winston Churchill, dass sie sich zu eigen gemacht hat „Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird“, geht Julia Krajewski zielstrebig ihren Weg weiter.  

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