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Olympia-Medaillengewinnerin Charlotte Fry „Es ist wirklich harte Arbeit, aber ich liebe jede Sekunde davon“

Charlotte Fry Foto: Archiv

Seit sie denken kann, ist die 26-jährige Charlotte Fry in Pferde verliebt. Von ihrem ersten Shetlandpony im Alter von drei Jahren bis hin zu den großartigsten Dressurpferden, mit denen sie Medaillen von Europa- und Weltmeisterschaften sowie von den Olympischen Spielen mit nach Hause gebracht hat. Hier erzählt Charlotte von ihrem Weg an die Spitze, ihren schönsten Momenten mit den Pferden und der ganz besonderen Beziehung zu ihrer Trainerin und Mentorin, der ehemaligen Olympiamedaillengewinnerin Anne van Olst.

Kannst du zur Einstimmung auf das erste Mal, als du auf einem Pony gesessen hast, zurückblicken?

Ich erinnere mich, dass ich ein kleines Shetland-Pony hatte. Ich glaube, ich hatte sogar zwei weiße Ponys. Sie waren sehr alt und ich begann auf ihnen reiten zu lernen. Ich erinnere mich nicht mehr so genau, denn ich war noch sehr jung - drei oder vier Jahre alt. Aber mein erstes richtiges Pony bekam ich, als ich sieben war. Es war ein Vielseitigkeitspony, das in den Ruhestand gegangen war, um nur noch Dressur zu gehen. So habe ich also mit der Dressur angefangen. Er war wirklich schön zu reiten, und ich bin mit ihm auf kleinen Turnieren gestartet. Wir sind auch ein wenig gesprungen, aber er war so schnell, dass es keinen Zweifel gab, dass ich bei der Dressur bleiben würde. Springen war nichts für mich. Nach ihm bekam ich ein wirklich schönes Pony namens Haverkamps Jorik, das ein ein paar Zentimeter zu groß für die Ponyklassen war.

Aber er war wirklich gut zum Lernen, und ich bin viele Turniere mit ihm geritten. Ich hatte ihn, als ich 9 Jahre alt war, bis - nun, um ehrlich zu sein, er blieb bei uns, bis er vor ein paar Jahren eingeschläfert wurde. Nach ihm bekam ich mein erstes FEI-Pony, einen kleinen Hengst namens Andexer, auf dem ich viel gelernt habe. Mit ihm nahm ich 2010 sogar an der Pony-Europameisterschaft teil - was nicht besonders gut lief. Ich glaube, ich wurde ungefähr Letzter. Er hat mir beigebracht, den Ritt zu genießen und sich nach einer Niederlage wieder aufzurappeln.

„Ohne Anne hätte ich diese Karriere sicher nicht gemacht. Sie ist sich über alles bewusst. Und dann verstehen wir uns auch noch richtig gut.“

Wann hast du auf Pferde umgesattelt?

Ich habe die ersten Pferde geritten, als ich noch sehr jung war, weil meine Mutter einen Hof voller Pferde hatte. Sie ritt etwa zehn Pferde am Tag und ich durfte auf ihren Pferden sitzen und einfach nur herumreiten. Das war eine großartige Erfahrung, die ich in so jungen Jahren machen konnte. Es half mir, als ich zu den Junioren aufstieg, weil ich schon ziemlich lange Pferde geritten hatte. Ich bin zum Beispiel auf einem pensionierten Grand-Prix-Pferd meiner Mutter geritten, seit ich etwa elf Jahre alt war. Ich hatte also schon ein Pferd und mit dem ich auch an Turnieren teilnahm. Nach der Schule bin ich täglich 2-3 Pferde oder Ponys geritten.

17-jährig bist du zu Anne Van Olst gekommen, um mit ihr zu arbeiten und zu trainieren. Wie ist sie so, und wie arbeitet ihr zusammen?

Nun, ich glaube, wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden. Am Anfang hat sie mich auf meinem eigenen Pferd trainiert und dann hat sie mir viel mit Clearwater (Annes Olympiapferd) geholfen, was wirklich Spaß gemacht hat. Offensichtlich kannte sie Clearwater in- und auswendig. Sie weiß einfach so schnell, was das Pferd braucht. Ob es runder oder höher gehen soll. Sie weiß es einfach und ich finde es erstaunlich, dass sie das sofort erkennen kann. Sie achtet auf jedes noch so kleine Detail, und wenn man dann auf einem Turnier ins Viereck reitet, hat man alles in seinem Training abgedeckt, so dass man sich um nichts mehr Sorgen machen muss.

Denn man weiß, wie man mit allem umgehen muss. Man weiß, dass man sich bis ins kleinste Detail vorbereitet hat. Anne beobachtet mich buchstäblich den ganzen Tag, jeden Tag. Selbst wenn sie nicht da ist, weiß ich, dass sie mich beobachtet. Normalerweise verbringen wir den ganzen Vormittag zusammen beim Reiten. Sie reitet ihre Pferde und ich meine - und so hat sie immer ein Auge auf mich. Am Nachmittag trainiert sie mich dann meist auf zwei oder drei Pferden. Wenn Turniere anstehen, hilft sie mir mit den Turnierpferden, oder wenn ich mit etwas ein Problem habe, arbeiten wir daran. Wir verbringen also viel Zeit miteinander und das ist von unschätzbarem Wert. Jemanden zu haben, der einen die ganze Zeit beobachtet - das macht einen großen Unterschied. Ohne Anne hätte ich sicher nicht so eine Karriere gemacht. Sie achtet auf alles. Außerdem verstehen wir uns einfach sehr gut. Es macht Spaß. Als ich zum ersten Mal hierher zog, war es wirklich so, als würde ich in die Familie aufgenommen. Sowohl Anne als auch Gertjan waren so nett zu mir und haben mich so herzlich aufgenommen. Ich fühlte mich wie ein Teil der Familie, und das ist immer noch so.

Du selbst bist bereits ein Vorbild für viele jüngere Reiter, wie fühlt sich das an?

Um ehrlich zu sein, denke ich nicht wirklich darüber nach. Ich bin immer etwas schockiert, wenn Leute auf mich zukommen und sagen: Oh, kann ich ein Foto mit Dir machen? Und ich antworte dann: Oh, mit mir? Sind Sie sicher? Ich denke immer noch, dass es wirklich seltsam ist. Ich mache einfach das, was ich normalerweise tun würde, und ich verändere mich nicht, um etwas zu sein, was ich nicht bin. Ich finde es ziemlich verrückt, dass die Leute zu mir aufschauen.

Was würdest du einem jungen Reiter raten, der das tun möchte, was du tust?

Mein Ratschlag wäre, sich immer irgendwo mit einem Profi abzustimmen. Selbst wenn das bedeutet, dass du „nur“ ein Groom oder ein Praktikant sein kannst - versuche einfach, auf diese Weise einzusteigen. Und dann hart arbeiten. Das ist der Rat, den ich geben würde. Denn du musst rausgehen und lernen, wie es in den großen Ställen läuft, und andere beobachten. Ich glaube, es ist schwierig, denn viele junge Leute wollen reiten, aber sie wollen nicht die harte Arbeit auf sich nehmen, um es zu schaffen. Aber es ist harte Arbeit und um ans Ziel zu kommen, muss man da durch.

Du bist jetzt sozusagen am Ziel. Du lebst, wovon viele andere nur träumen können. Wie bleibst du auf dem Boden der Tatsachen?

Ich reite so viele Pferde, dass es immer eines gibt, das mich in die Realität zurückholt. Aber es war so ein tolles Jahr und ja, es ist sehr harte Arbeit. Ich arbeite viele Stunden. Es ist absolut fantastisch und um ehrlich zu sein, ich liebe jede Sekunde davon. Aber am Ende des Tages ist man ziemlich müde und möchte nur noch schlafen - und wieder aufstehen und weitermachen.

Kannst du Dich an den Moment erinnern, in dem du wusstest: „Das ist es, was ich mit meinem Leben machen will?“

Das war wahrscheinlich, als ich in die Niederlande zog. Ich hatte keine Ahnung, ob ich gut genug sein würde, um „Reiterin“ zu werden. Aber zumindest verdiente ich mir meinen Lebensunterhalt mit der Arbeit mit Pferden und das war damals gut genug für mich. Ich konnte mich einfach hocharbeiten. Je mehr Zeit man mit der Ausbildung verbringt, desto mehr merkt man, dass das Wissen, das man erwerben kann, nicht endet. Man lernt einfach immer dazu. Es ist großartig, die Pferde zu trainieren und neue Ideen zu bekommen. Ich denke, solange es uns Spaß macht und die Pferde es genießen, ist das das Ziel.

„Ich liebe es morgens Zeit mit den Pferden zu verbringen, wenn es noch komplett ruhig im Stall ist“

Wie sieht ein durchschnittlicher Tag für dich aus?

Ich fange normalerweise kurz vor 6 Uhr morgens an und gehe die Pferde füttern. Wenn es so ruhig ist, weil ich normalerweise die Einzige bin, die um diese Zeit da ist, ist das wirklich schön. Ich liebe es, morgens in aller Ruhe mit den Pferden zu arbeiten. Dann muss Dark Legend als Erster raus. Er fühlt sich dann ganz besonders. Er geht im Sommer auf die Weide und jetzt geht er entweder nur an der Hand spazieren oder macht eine ruhige Runde in der Führanlage. Nur um der Erste zu sein. Dann ist er glücklich für den Tag. Ich beginne gegen 7 Uhr morgens mit dem Reiten und reite den ganzen Tag. Ich habe das Glück, zwei großartige Pfleger und ein wirklich nettes Mädchen aus Neuseeland zu haben, die das Aufwärmtraining für mich macht. Sie reitet auch ein- oder zweimal pro Woche ein paar der jüngeren Pferde für mich. Sie helfen mir also, den Tag zu überstehen - und es ist wirklich strammes Reiten, bis wir fertig sind. Das ist normalerweise gegen 18 Uhr. Im Durchschnitt reite ich etwa 14 Pferde pro Tag. An Sonnentagen vielleicht etwas weniger.

Du hast viel Erfahrung mit Hengsten gesammelt. Wie würdest du die Herausforderungen und Vorteile bei der Arbeit mit ihnen beschreiben?

Ich habe großes Glück, denn die Hengste hier haben einen sehr guten Charakter. Das ist etwas, worauf Anne und Gertjan sehr achten. Wenn sie Hengste bleiben wollen, müssen sie einen guten Charakter haben. So kann man eigentlich mit allen unseren Hengsten sehr gut arbeiten. Eines meiner Lieblingsdinge beim Reiten von Hengsten ist, dass sie, wenn man ins Turnierviereck reitet, sie einfach nur angeben wollen. Sie lieben sich selbst und wollen, dass alle anderen es auch tun. Wenn man in eine überfüllte Arena kommt, sind sie ganz aus dem Häuschen. Ich denke, das macht wirklich Spaß. Aber um ehrlich zu sein, merke ich ansonsten keinen Unterschied, wenn ich Wallache oder Hengste reite. Das Wichtigste ist, dass wir gegenseitigen Respekt haben. Und sie lieben es geknuddelt zu werden. Sie tun zwar so, als wäre es ihnen egal, aber sie mögen es wirklich.

Was ist dein genereller Ansatz für die Ausbildung deiner Pferde?

Nun, wir behandeln jedes Pferd individuell - so wie es behandelt werden muss. Es ist nicht so, dass eine Trainingsform für alle passt. Ich arbeite mit Anne zusammen. Sie hilft mir herauszufinden, was jedes einzelne Pferd in seinem Training braucht. Das kann von einem Pferd zum anderen völlig unterschiedlich sein. Wie sie auf das Training reagieren und womit sie Schwierigkeiten haben. Ich denke, das Wichtigste ist, offen zu sein und dem Pferd einfach zuzuhören. Am Ende wollen wir alle das Gleiche erreichen, aber es kann sein, dass ein Pferd einen anderen Weg braucht, um dorthin zu gelangen.

Apropos Weg, Du bist im vergangenen Jahr viel gereist. Olympische Spiele, Europa- und Weltmeisterschaften. Wie schaffst du das alles? Wie schaffen das deine Pferde?

Wir haben ein super Team. Ich glaube, das war der Hauptgrund dafür, dass wir im letzten Sommer alles geschafft haben. Wir hatten alles so geplant, dass es möglich war. Zwischen den Olympischen Spielen und den Weltmeisterschaften mit Kjento hatte ich etwa drei Wochen Zeit. Außerdem hatte ich zwei Tage nach meiner Ankunft aus Tokio den Pavo Cup für junge Pferde mit drei Pferden. Während ich in Tokio war, war Kjento auf der Koppel und hat die Zeit dort genossen. Dann habe ichh ihn drei Wochen lang geritten und dann wir sind zur Weltmeisterschaft gefahren. Zwischen der Weltmeisterschaft und der Europameisterschaft lagen fünf Tage. So hatte Everdale fünf Tage frei und ich konnte fünf Tage reiten und direkt zur Europameisterschaft fahren. Es war interessant, aber es hat einfach alles funktioniert. Zur Europameisterschaft habe ich auch meine beiden Pferde für den FEI Dressage Nations Cup in Aachen mitgebracht. Sie waren in Hagen untergebracht, damit ich sie weiter trainieren konnte, während ich an der Europameisterschaft teilnahm. Es war also alles eine Menge Planung und Teamarbeit. Dann bin ich mit diesen beiden Pferden direkt nach Aachen und Everdale ist nach Hause gefahren. Es ist wichtig, dass jeder weiß, was ansteht. Ich habe den Sommer geliebt; es hat so viel Spaß gemacht. Vielleicht werden wir nie wieder einen so arbeitsreichen Sommer haben, aber es war super.

Abgesehen von diesen großartigen Momenten, gibt es noch andere wertvolle Momente mit den Pferden, die du schätzt?

Auf jeden Fall die Morgenstunden. Aber ehrlich gesagt, genieße ich jeden einzelnen Moment. Bei jedem Pferd, das ich reite, lehne ich mich zurück und genieße es. Ich bin nie in Eile, auch wenn ich viele Pferde zu reiten habe. Ich genieße einfach, was ich in diesem Moment tue. Und natürlich der Moment im Turnierviereck, wenn alles zusammenpasst. Das ist das beste Gefühl der Welt.

Bei allem, was du bereits erreicht hast, was sind deine Hoffnungen und Pläne für die Zukunft?

Ich habe keine Pläne, mir eine eigene Wohnung zu suchen. Ich liebe es hier, wo ich bin. Ich könnte diese Pferde hier niemals verlassen. Ich glaube nicht, dass ich es jemals besser haben könnte. Das ist der Traum. Das derzeitige langfristige Ziel ist Paris 2024. Ich würde gerne noch einmal an den Olympischen Spielen teilnehmen. Das wäre schön, aber wie ich schon sagte: Solange ich Spaß an den Pferden habe und sie glücklich sind, ist das mein Ziel. Dann werde ich glücklich sein.

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