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Ungewöhnliche Rassen im Sport

Amani und Franziska. Foto: Oliver Keth

Kaum zu glauben aber wahr. Mit der richtigen Ausbildung, mit jeder Menge Fleiß und Geduld gelingt es Pferd-Reiter-Paarungen Leistungen zu zeigen, die man ihnen in erster Linie aufgrund der Pferderasse niemals zugetraut hätte. Malgré Tout stellt drei dieser Ausnahme-Teams vor.

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Vom Wildpferd zum Dressurcrack

Vor 30 Jahren zog Britta Becker aufs Land und zwei Jahre später erfüllte sie sich mit ihrer Traberstute den Wunsch des ersten, eigenen Pferdes. Es war klar, dass ein Pferd allein nicht glücklich ist und so fiel der Entschluss, einen Dülmener Jährling auf dem jährlichen Wildpferdefang zu ersteigern. Die Wahl fiel auf die Nummer 25 – klein, struppig, ängstlich mit extremem Wunsch zur Individualdistanz hatte er schnell den Spitznamen „Eselchen“ weg. Offiziell wurde er Pinocchio getauft und verlor seine Scheu vor dem Menschen innerhalb kurzer Zeit. Britta Becker befasste sich ausgiebig mit dem Junior, machte Bodenarbeit und ging viel mit ihm spazieren.

Als ihre Stute tragend wurde, war Pinocchio vier Jahre alt und übernahm die Schwangerschaftsvertretung, indem er sich völlig problemlos einreiten ließ. Definitiv das Ergebnis des tiefen Vertrauens, dass sich zwischen den beiden gebildet hatte. Pinocchio lernte extrem schnell, was von einem Freizeitpferd erwartet wird, und war noch dazu sehr kinderlieb. „Ich ritt damals mit ihm im benachbarten Verein und nach einiger Zeit kam dort die Frage auf, ob nicht auch mal Kinder auf ihm reiten dürften“, erinnert sich Britta Becker. So kam Jana Ruff 2001 ins Spiel. Die damals 14-jährige und Pinocchio waren ein echtes Dream-Team. Zusammen nahmen sie Reitstunden, absolvierten Lehrgänge und starteten auf ihren ersten Turnieren. Der Weg führte steil nach oben und ab 2003 mussten sie sich der Großpferdekonkurrenz stellen, da Jana zu alt für die Ponyprüfungen wurde. 2008 starteten die beiden in ihrer ersten M-Dressur. Mit 17 Jahren hatte Pinocchio eine schwere Bauchhöhlenoperation, die er dank seiner Robustheit aber tatsächlich überstanden hat. Nach der Rehazeit glänzte das Traumduo erneut, sie starteten langsam in A-M Dressuren um schließlich zu ihrer ersten S-Dressur im großen Viereck anzutreten.

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 „Pinocchio war ein echter Kämpfer.“
Britta Becker

Es ist unglaublich, was man mit korrekter Ausbildung mit Pferden, deren Exterieur es nicht vermuten lässt, erreichen kann. „Er wusste immer, worum es geht, und hat alles gegeben.“ Das wussten die Mitbewerber und Aufsichten auf Abreiteplätzen häufig nicht. So bekam Britta Becker mehrfach den freundlichen Hinweis, dass sich der Abreitreiteplatz für die E-Dressur nebenan befindet und Jana wurde manchmal von anderen Reitern mit abfälligen Bemerkungen regelrecht gemobbt. Die Stimmen verstummten abrupt, wenn sich die beiden im vorderen Feld platzierten und die Ehrenrunden mitreiten konnten. Von manch anderen Reitern wurden Jana und „Pinocchio 135“ dann auch als ernstzunehmende Konkurrenz respektiert.

Pinocchio war ursprünglich als „Rasenmäher“ und Beistellpferd gekauft. Doch er verbrachte sein Leben als echter Sportler. Neben den Auftritten im Viereck sorgten Ausritte, Boden-, Stangen- und Handarbeit sowie Doppellonge und Gymnastikspringen dafür, dass er ausreichend Abwechslung hatte und immer motiviert blieb. Sein einzigartiger Charakter zeigte sich nicht nur bei unzähligen Messe- und Veranstaltungsauftritten, sondern auch bei Events, an denen er geduldig Ponyreiten für den guten Zweck ermöglichte.

Er lebte sein Leben glücklich in einer großen Box mit täglichem Weide- oder Paddockgang. Wie es sich für ein Pony gehört, war er extrem verfressen und blitzgescheit. 2016 ist er verstorben, hat aber 21 Jahre ein außergewöhnliches Leben in bester Betreuung genossen und jeder der ihn kannte erinnert sich mit Freude an den 1,43 Meter großen kleinen Wildfang.

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Pinocchio und Jana. Foto: Barbara Schnell // Britta Schöffmann. Foto: Metz Kosmos

Was sagt Dr. Britta Schöffmann, Sportwissenschaftlerin, Dressurausbilderin und Buchautorin zur Ausbildung verschiedener Pferderassen?

Jedes Pferd ist anders, das ist klar. Die individuellen Unterschiede liegen in Körperbau und Rasse, aber auch in unterschiedlichem Charakter und Temperament. Dennoch haben alle Pferde das Recht, ihrem Talent entsprechend geritten und gefördert zu werden. Die klassische Reitlehre und die solide Dressurausbildung sind hierzu die Basis. Gymnastizieren und ausbilden im Rahmen der Möglichkeiten des jeweiligen Pferdes dienen der Gesunderhaltung. Dabei liegt dem individuellen Training stets die Skala der Ausbildung (Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichtung, Versammlung) zugrunde. Es ist das Grundgerüst für eine erfolgreiche Entwicklung. In der schonenden und sportlichen Ausbildung der unterschiedlichsten Rassen werden verschiedene Gewichtungen gelegt, immer abhängig von Körperbau, Temperament und Charakter des jeweiligen Pferdes. Stets muss das Ziel sein, zur größtmöglichen Harmonie zwischen Reiter und Pferd zu gelangen, unabhängig von reiterlichem Niveau, Reitweise und Rasse des Pferdes. Wenn die gute Ausbildung gelingt, dann kann auch ein Haflinger in der S-Dressur glänzen, ein Dülmener Wildpferd piaffieren und ein Isländer Erfolge in der Working Equitation sammeln.

Highflying Haflinger

Der Name „Amani“ steht im arabischen für „Wünsche“ und im indischen für „Juwel“. Und seinem Namen macht der inzwischen 18jährige Edelbluthaflingerhengst alle Ehre. Er hat seiner Besitzerin Franziska Keth alle Wünsche erfüllt und ist ein echtes Juwel.

Der hübsche Blonde wurde 2005 auf einem kleinen Hof in Hessen geboren, auf dem Franziska Keth ritt, seitdem sie acht Jahre alt war. Die Hofbesitzer, Familie Braum, hatten sich schon lange der Haflingerzucht verschrieben und züchteten mit Amanis Großvater „Argus“ einer der ersten seiner Rasse, der es schaffte, sich gegen Großpferde in einer M-Dressur zu behaupten.

Franziska Keth begleitete als Kind alle Turniere, Zuchtschauen und Veranstaltungen und als Amani 2009 vierjährig von der Hengstkoppel kam, wurde er ihr zum Anreiten überlassen. „Amani war unglaublich sensibel und wollte von Anfang an alles richtig zu machen“, erinnert sich seine Reiterin. „Ich wusste sofort, dass er MEIN Pferd ist.“ Das ist auch bis heute so geblieben. Amani ist nach wie vor Hengst, hat eine irre Arbeitseinstellung, ruht dabei in sich selbst und ist mit sich im Reinen. Er ist überhaupt kein Rüpel, fährt mit Stuten im Anhänger ohne Probleme und lässt sich selbst beim Decken einfach handeln.

Der reiterliche Werdegang der beiden ist mustergültig. Bei ihrem ersten Start in einer Dressurpferde A (in 10/2009) belegten sie direkt den 2. Platz und unzählige Siege und Platzierungen folgten in den Klassen A und L. Als Franziska Keth 22 Jahre alt war, fasste sie den Entschluss M-Dressur mit Amani zu reiten und ein halbes Jahr später waren sie in ihrer ersten M-Prüfung (08/2011) platziert. „Amani hat sehr lange gebraucht, die Wechsel zu lernen – aber das lag mit Sicherheit auch daran, dass ich sie ihm nicht richtig vermitteln konnte“, sagt Franzi Keth. Ihre Trainerin Christiane Braum begleitete sie bis zur Klasse L und hat sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Basis stimmt. Keine Lektion, bevor die Grundlagen nicht sitzen und lieber einen Schritt zurück, wenn das Pferd etwas nicht versteht. Das hält Franziska Keth bis heute so. Lektionen der höheren Klassen erarbeitete das Duo gemeinsam „learning by doing“ und auch wenn das etwas Zeit in Anspruch nimmt, eine Übung, die Amani verstanden hat, sitzt für immer. Der Sprung in die S-Dressuren (1. S-Dressur 07/2014 und direkt platziert) war noch einmal ein großer Schritt, aber auch der ist gemeistert. Inzwischen piaffiert und passagiert der Wunderknabe im Schlaf und glänzt nach wie vor mit Freude und Leichtigkeit im Dressurviereck.

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Allerdings setzt Franziska Keth ihn inzwischen viel dosierter ein. Sie möchte noch lange Jahre mit ihrem Herzenspferd verbringen. Das war auch der Grund aus dem sie, als Amani 13-jährig mal so eben nebenbei Hessischer Meister der Vielseitigkeit wurde, beschloss, dass zu diesem Zeitpunkt seine Buschkarriere endet. „Wir haben die Vielseitigkeit eigentlich als „Ausgleichssport“ fürs Viereck betrieben“, so die Dressurreiterin. „Die Dressur hatten wir haushoch gewonnen, durch den Parcours waren wir eher durchgestolpert, da aus mir einfach kein Springreiter wird. Im Gelände gab Amani mir das Gefühl zu fliegen. Es war unglaublich! Aber man soll aufhören, wenn es am schönsten ist, und das habe ich im Sinne des Pferdes auch gemacht.“

Franziska Keth ist inzwischen angekommen, in der Welt des Dressursports, hatte aber zwischendurch viel Rückhalt durch Familie und Freunde nötig. Sie kennt Mobbing auf dem Abreiteplatz durchaus, abfällige Bemerkungen, wenn sie mit ihrem gerade mal 1,51 Meter großen Blonden im Frack um die Ecke bog. Die Stimmen sind inzwischen verstummt – zu häufig müssen sich die bewegungsstarken Warmblüter hinter dem absolut korrekt gerittenen Edelbluthaflinger einreihen.

Amani lebt ein glückliches Pferdeleben, täglicher Koppel- oder Paddockgang, ständige Abwechslung im Trainingsprogramm. „Wir machen niemals zwei Tage hintereinander dasselbe“, so Franzi Keth. „Stangenarbeit, Longe, Ausritte, Bodenarbeit, Freiheitsdressur oder wir spannen ihn an – es ist immer Abwechslung im Spiel.“ Und auf die Frage, ob der Wunderknabe überhaupt eine schlechte Angewohnheit hat, fällt ihr nach einiger Überlegung ein, dass Amani im Frühjahr, wenn es das erste Mal auf die Weide geht, seine Begeisterung nicht zügeln kann. Da hat er schon manches Mal den Weg mit wehendem Strick deutlich schneller absolviert, als es seiner Besitzerin lieb war. Aber das stellt er nach ein paar Tagen wieder ein.

Amanis Sohn der neunjährige „All in One“, den Franzi Keth selbst gezogen hat, tritt in des Vaters Hufspuren und ist auch bereits bis zur Klasse M** im Viereck unterwegs. Dazu sind beide Herren heute auf dem gepachteten Hof der Familie Keth zu Hause und üben in ihrer Freizeit erfolgreich den Job als Kinderpony für Franzis zweijährige Tochter aus.

Wir wünschen der Familie noch viele schöne gemeinsame Jahre miteinander!

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Auch in der Vielseitigkeit hat Amani geglänzt. Foto: Oliver Keth

Die isländische Post

Zweimal gelang es einem ganz besonderen Quintett den Showcup der EQUITANA zu gewinnen. 2022 in Mannheim bei der EQUITANA Open Air und in diesem Jahr auf der EQUITANA in Essen. Das Team der fünf Freunde setzt sich zusammen aus der 13jährigen Ida Blersch und der 24jährigen Anna Maurer, sowie den drei Islandpferden Faxi, Bella und Saara. Sie alle leben im baden-württembergischen Aichbühl, wo Idas Eltern einen Aktiv- und Ausbildungsstall betreiben.

Faxi und Ida sind zusammen aufgewachsen – genauso wie Anna, Bella und Saara. Die beiden Mädels haben das Credo des „Aktivstall Aichbühl“ tief verinnerlicht. „Das Wichtigste für uns ist die solide Grundausbildung eines jeden Pferdes“, so Julia Blersch, Mutter von Ida und Ausbilderin der beiden Nachwuchstalente. „Die Basis der Ausbildung muss stimmen. Das dauert unter Umständen lange, aber nur auf einer soliden Grundausbildung mit guter Gymnastizierung kann man weiter aufbauen. Und das ist völlig unabhängig von Rasse und Reitweise.“ So starten Ida und Anna mit ihren Isländern auch erfolgreich auf Working Equitation Turnieren bis Klasse L, bei Orientierungsritten und bei Natural-Horse-Trail Meisterschaften.

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Ida Blersch mit Faxi und Saara Foto: RX Austria_Germany // Anna Maurer und Bella Foto Kerstin Bernhardt

Die Pferde leben im Herdenverband im Aktivstall, haben eine tiefe Vertrauensbasis zu ihren beiden ReiterInnen und sind (fast) für jeden Spaß zu haben. Hochmotiviert nehmen sie gerne so ziemlich jede Herausforderung an. Die Mädchen reiten viel mit ihnen aus, aber auch Horsemanship und Freiheitsdressur werden trainiert, und waghalsige Nummern wie die ungarische Post oder das spektakuläre in den fahrenden brennenden Hänger galoppieren auch ohne Zaum. Nebenbei werden die Islandpferde für den Ponyzirkus und als Therapiepferde eingesetzt. Die solide gymnastizierende Dressurausbildung macht die Pferde rittig und geschmeidig, die Gänge sind dadurch klar getrennt, und wenn Tölt, dann sauber über den Rücken geritten.

Eines der Herzensprojekte der Aktivstallbetreiber ist ihr „Ponyzirkus“. Hier studieren sie mit allen Reitschülern, Ponys und Pferden regelmäßig bunte Programmpunkte ein, die auf Hoffesten und bei Weihnachtsvorführungen das Publikum in Staunen versetzen. Stets vorne mit dabei: Tochter Ida – Schülerin der 7. Klasse, die ihren ersten öffentlichen Prinzessinnenauftritt bereits im Alter von 1,5 Jahren im Ponyzirkus hatte – und Anna, quasi Tochter des Hauses, von Beruf Erzieherin und ausgebildete Reittherapeutin und mittlerweile rechte Hand im Ponyzirkus. Die Pferde der beiden sind die Top-Stars mit zirzensischen Lektionen wie Liegen, Sitzen und Steigen, aber auch spanischem Schritt und eben ungarischer Post.

Wenn Ida krank war, durfte sie immer die Videos von dem Meister der ungarischen Post, dem Franzosen Lorenzo, anschauen. Da fasste sie den festen Vorsatz: Das mache ich auch. Und heute steht sie locker auf dem Rücken von Faxi und Saara, sie springen über Hindernisse oder tauchen unter ihnen durch, ganz wie ihr großes Vorbild. Anna begeistert das Publikum mit Freiheitsdressur und Zirzensik vom Feinsten. Es ist ein Schaubild, das wirklich seines Gleichen sucht und das beweist, was man alles erreichen kann, wenn man Pferde solide und fein ausbildet.

Das nächste Projekt der Beiden sind ihre Jungstuten, die sie selbst ausbilden: Annas Connemara Cessy und Idas Coco Chanel, ein American Morgan Horse, wieder eine Sonderrasse, die hier in Deutschland eher unbekannt ist. In der Working Equitation waren Coco und Ida 2022 bereits E-platziert. Wir sind gespannt, wie der Weg weiter geht und wünschen alles Gute!

Auch lesen: Fantastische Falabella: Die kleinste Pferderasse der Welt 

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